Intimitaet und Verlangen
übel zwischen uns werden.« Randall beklagte sich nicht über Carol. Nachdem nun klar war, dass und worüber sie stritten, wollte er meine fachkundige Meinung hören.
»Ich kann Ihnen Folgendes versichern: Starke Konflikte sind nicht unbedingt ein Anzeichen für die Dysfunktionalität einer Beziehung. Entscheidend ist, wie Sie mit solchen Situationen umgehen. Ich kann Ihnen aber folgende Faustregel mit auf den Weg geben: Ihr Patt verhält sich umgekehrt proportional zur Stärke Ihrer Vier Aspekte. Wenn Sie innere Konflikte nicht ertragen können, projizieren Sie sie nach auÃen, in den Bereich Ihrer zwischenmenschlichen Beziehungen. Deshalb erleben Paare mit geringem Differenzierungsgrad sehr starke Pattsituationen. Wachsen sie dann an der Situation, werden Intensität und Umfang des Patts geringer.«
Carol scherzte: »Wollen Sie damit sagen, dass wir gesund sind, weil wir offen miteinander streiten können?«
»Nein. Zu verstehen, dass Konflikte normal, unvermeidlich und gesund sind, bedeutet nicht , dass alles in Ordnung ist. Offen zu kämpfen ist kein Problem. Aber häusliche Gewalt ist ein sehr ernstes Problem und leider sehr verbreitet. Sie müssen Konflikte produktiv nutzen , statt sie um ihrer selbst willen zu schüren. Sie geraten aneinander, weil Ihr innerer emotionaler Puffer nicht besonders groà ist. Aufgrund des Eliminationsprozesses bleiben Sie an einigen wenigen Themen hängen. Sie und Randall reden â oder streiten â eigentlich nicht über die Themen, die für Sie wirklich wichtig sind. Deshalb drängen Sie Randall ständig, er solle darüber sprechen, dass er ein Internat besucht hat.«
Die Ãberwindung eines emotionalen Patts
Randall sprach während der ganzen Behandlung nie über seine Kindheit. Er war erleichtert darüber, dass wir andere wichtige Dinge zu bereden hatten, und er lernte viel über das emotionale Patt und die Vier Aspekte. Auf diese Weise konnte er an der Therapie teilnehmen, ohne dass er sich Carols Bemühungen beugen musste, ihn zur Auseinandersetzung mit seiner Kindheit zu nötigen. Wir befassten uns mit Dingen, die direkteren Einfluss auf die sexuellen Probleme hatten, und auf diese Weise gelang es dem Paar, seine Situation zum Positiven zu wenden.
Randall entwickelte ein stabileres und gleichzeitig flexibleres Selbst, und er merkte, dass es ihm gut tat, die Dinge nicht so wie Carol sehen zu müssen. AuÃerdem faszinierte ihn der neue Ansatz. Zwischen den Sitzungen dachte er über die Gespräche mit mir nach und versuchte, deren Resultat in seinem Leben umzusetzen. Hätte er sich einfach geweigert, über seine Kindheit zu sprechen, und sonst nichts getan, wäre er lediglich in eine Trotzhaltung verfallen, statt eine bessere Balance zu erreichen. Doch seine Kontrolle über sich selbst zu verbessern, war noch eine völlig andere Zielsetzung.
Der Wendepunkt
Carol und Randall wurde klar, dass die Vier Aspekte bei ihnen nicht besonders gut entwickelt waren. Die Folge waren ständige Streitereien, gegenseitige Anschuldigungen, generelle Reserviertheit, Persönlichnehmen, starke Reaktivität, ausgeprägte Verletzlichkeit und die Verzögerung von Heilungsprozessen. Weil sie nun in dem Wahnsinn, den sie tagtäglich miteinander erlebten, einen Zusammenhang zu sehen begannen, beruhigten sie sich allmählich. Dies weckte in ihnen Hoffnung, gab ihnen eine Orientierung und auÃerdem das Gefühl, dass ihre Bemühungen einem Zweck dienten. Das wiederum ermöglichte ihnen, Situationen, die bisher gewöhnlich »entgleist« waren, eine sehr positive neue Ausrichtung zu geben. Ich werde nun ihre wichtigste Interaktion schildern.
Nach einigen Sitzungen hatte Carol ihren ganzen Mut mobilisiert, um mit Randall über ihre Probleme bezüglich des sexuellen Verlangens zu sprechen. Randall las seine Zeitung und war sich ganz und gar nicht darüber im Klaren, welcher Kampf in Carol tobte. Sie wurde wütend, weil sie merkte, dass ihm völlig schleierhaft war, worum es bei ihr ging. Doch diesmal dachte sie: Das ist Unsinn! Ich werde wütend auf Randall, weil ich nicht den Mut habe, mich zur Wehr zu setzen. Ich muss mich beruhigen und dann sagen, was ich denke â aber ich darf nicht »um mich schieÃen«. Sie atmete tief durch.
Danach sprach sie freimütig und ohne in eine Defensivhaltung zu verfallen. Sie verschanzte sich nicht hinter
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