Into the Deep - Herzgeflüster (Deutsche Ausgabe): Roman (German Edition)
Schottland war es fast Mitternacht, aber Andie war so mit ihrer Promotion und dem Praktikum beschäftigt, dass wir immer nur reden konnten, wenn es in ihren Terminplan passte. Mir war das jetzt egal, denn ich musste wirklich mit ihr sprechen.
»Jake, dein Exfreund Jake? Der Jake, der wusste, dass du schon immer vorhattest, im dritten Studienjahr nach Edinburgh zu gehen?«
Genau das war der Grund, warum ich mit meiner großen Schwester reden wollte.
Sie wusste nahezu alles über meine Beziehung mit Jake, nicht, weil sie alles beobachtet hätte (sie hatte ihn nur einmal getroffen, als sie während der Weihnachtsferien aus Dublin nach Hause kam), sondern weil ich ihr alles haarklein erzählt hatte. Sie wusste, dass Jake in all meine Gedanken, Gefühle, Pläne und Träume eingeweiht war.
Ich hatte mit Jake bestimmt eine Million Mal darüber gesprochen, auch in Edinburgh zu studieren, weil Andie jedes Mal, wenn sie zu Hause anrief, von ihrer tollen Zeit in Dublin schwärmte. Ich wollte sowieso in Europa studieren, und da meine Schwester Irland super fand, war es bei mir Schottland. Jake hatte damals gesagt, dass er mitkommen wolle.
»Ja.«
»Also« – Andie rümpfte die Nase und fuhr sich durchs Haar, eine Angewohnheit, die wir beide hatten, wenn wir über etwas nachgrübelten – »ist er anscheinend nach Edinburgh gegangen, weil er wusste, dass du da sein würdest. Aber warum? Um sich zu entschuldigen? Um dich zurückzubekommen?«
Nun wurde noch deutlicher, warum ich mit Andie reden wollte. Denn das war genau die Frage, die ich nicht zu stellen wagte. Und wenn jemand anderes sie stellte, würde ich weniger an meinem Verstand zweifeln. Das war der Plan – aber ich fühlte mich trotzdem ziemlich verwirrt. Wegen Melissa. »Er hat sich entschuldigt. Aber er ist mit Freunden hier und … mit seiner Freundin.«
»Er hat ein anderes Mädchen mitgebracht? Wie bitte?«
Andie schlug mit den Händen auf den Tisch und beugte sich näher zur Kamera, so dass ihr Mund und ihre Nase riesengroß wirkten. »Er wusste doch, dass du dort bist, dieses miese kleine …«
Ich lehnte mich zurück und ließ Andie an meiner Stelle vom Leder ziehen. Als sie fertig war, entspannte sie sich und atmete tief ein.
»Äh, ist alles in Ordnung bei dir?«, fragte eine mir gut bekannte männliche Stimme außerhalb des Kamerafokus.
Andie dreht den Kopf in Richtung der Stimme, und ihre Miene wurde sanft. »Ja, Baby. Ich rege mich nur im Interesse von Supergirl auf.«
»Was ist los?«
»Probleme mit Jungs.«
»Danke«, murmelte ich sarkastisch. Andies Formulierung ließ mein Drama trivial wirken.
»Soll ich jemanden in den Hintern treten?« Die Stimme kam näher, und dann tauchte Ricks attraktives Gesicht neben dem von Andie auf. »Alles okay, Charley?«
»Hey, Rick, schön, dich zu sehen.« Das war nicht gelogen. Der Verlobte meiner Schwester war ein cooler Typ. Er war zehn Jahre älter als Andie und Police Detective in Chicago. Die beiden hatten sich vor einem Jahr kennengelernt, als Andies Freundin der Wagen geklaut worden war und sie zusammen zum Revier fuhren. Zum größten Verdruss von Andies Freundin interessierte sich der diensthabende Officer, Detective Rick Pertrad, mehr für die Freundin der Jungfrau in Nöten. Er hatte Andie um ihre Telefonnummer gebeten, und der Rest ist Geschichte. Nach nur sechs Monaten zogen die beiden zusammen, und zwei Monate später verlobten sie sich. Ich fand die Veränderungen, die ich bei meiner Schwester bemerkte, großartig. Sie war nicht mehr so versessen darauf, alles perfekt zu machen, sie wurde definitiv lockerer.
Und was mich anging, so versuchte ich ständig, Rick zu meinem Fürsprecher zu machen. Aber da meine Eltern immer noch nicht glücklich waren mit meinem Berufswunsch, versuchte er es mir auszureden. Er wollte lieber ein guter Schwiegersohn werden, als es sich jetzt schon mit meinen Eltern zu verderben, indem er mich ermunterte, Cop zu werden.
»Freue mich auch, dich zu sehen, Süße, aber noch mal: alles okay?«
»Es geht mir gut.«
Er runzelte die Stirn und blickte zu Andie. »Und warum bist du dann so sauer?«
»Es geht ihr nicht gut. Aber da sie Charley ist, ist alles okay.«
Rick blickte zwischen uns hin und her. »Hauptsache, ihr beide versteht euch.« Er küsste Andie auf die Wange und winkte mir zum Abschied zu, bevor er aus dem Fokus der Kamera verschwand.
Sobald er weg war, wandte sich Andie wieder zu mir. »Was hast du jetzt vor?«
Ich zuckte mit den Schultern.
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