Into the Deep - Herzgeflüster (Deutsche Ausgabe): Roman (German Edition)
bemuttern, der nur zehn Jahre jünger war als sie selbst.
»Hast du in Schottland schon Haggis probiert?«, fragte Rick jetzt und nippte an seinem heißen Kakao. Mom hatte für uns alle Kakao zubereitet, und wir saßen gemütlich im Wohnzimmer. Es war Heiligabend, das Feuer brannte im Kamin, und draußen wurde es bereits dunkel. Wir genossen es, zusammen zu sein. Rick hatte seinen Vater nie kennengelernt, und seine Mutter war fünf Jahre zuvor verstorben. Dieses Jahr hatte er über Weihnachten Urlaub und verbrachte die Tage mit Andie bei uns. Anders hätten wir es nicht gewollt.
Ich saß mit ausgestreckten Beinen auf dem Boden vor dem Feuer, den Rücken an Dads Sessel gelehnt, trank von meinem Kakao und nickte. »Dieses schottische Gericht aus Schafinnereien? Ja, es war nicht so übel wie erwartet, aber es ist schwer, etwas zu genießen, von dem man weiß, dass es vorher im Bauch eines Schafs war.«
Andie gab ein würgendes Geräusch von sich. »Ich kann nicht glauben, dass du das probiert hast.« Sie runzelte die Stirn. »Nein, warte. Quatsch, wir reden ja von dir . Natürlich hast du es probiert.«
»Ich habe auch einen frittierten Marsriegel gegessen. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass es sogar mehr als nur einer war.«
»Das ist ekelhaft«, fand Mom. »Du hast mir versprochen, du würdest vernünftig essen.«
»Immerhin esse ich.«
Die anderen stöhnten nur.
»Ich hoffe, du trinkst nicht zu viel, nur weil du da drüben schon volljährig bist?«, fragte Dad und zupfte liebevoll an meinem Pferdeschwanz.
Ich reckte den Hals, um ihn angrinsen zu können. »Würde ich je zu viel trinken, nur weil es erlaubt ist?«
»Ja.«
Lachend ließ ich den Kopf wieder sinken und wechselte einen schelmischen Blick mit Andie. »Ich habe bisher kaum einen Tropfen getrunken, Dad.«
»Du sollst deinen Vater nicht anlügen, Charlotte, das ist unter deiner Würde«, neckte Mom mich.
»Dann stellt mir keine Fragen, bei denen euch die Antwort nicht gefallen wird.«
»Touché, Leute«, murmelte Rick und grinste in seinen Becher.
Mom nutzte Ricks Bemerkung, um das Gespräch auf Enkelkinder zu bringen (Mom schaffte es, jedes Gespräch auf Enkelkinder zu bringen). In dem Moment summte mein Handy, und ich war abgelenkt.
Eine SMS von Jake.
Supergirl läuft im Fernsehen. Musste dabei an dich denken. Hoffe, du hast es schön zu Hause.
Der Text klang versöhnlich. Ob er noch an Dads Weigerung, ihm die Hand zu geben, zu knabbern hatte? Und wieso tat er mir deshalb leid? Mir war plötzlich heiß, und ich ging in die Küche. Ich lehnte gegen die kühle Arbeitsplatte, starrte auf mein Handy und überlegte, ob ich ihm antworten sollte.
»War das von Jake?«
Überrascht riss ich den Kopf herum. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass Andie mir gefolgt war. »Ja.«
Meine große Schwester presste die Lippen zusammen. »Du siehst elend aus. Du tust so, als ginge es dir gut, dabei sehen wir dir an, dass das nicht stimmt.«
Ich war es leid, dass alle behaupteten zu wissen, wie ich mich fühlte. Ich war es leid, dass alle mich dauernd daran erinnerten, was Jake mir angetan hatte und was das für Folgen hatte. Es war schwer genug, durch den Sumpf meiner eigenen Gefühle zu waten, ohne auch noch die Gefühle meiner Familie gegenüber Jake ertragen zu müssen.
»Vielleicht würde es mir bessergehen, wenn ihr aufhören würdet, euch über meine Beziehung zu Jake auszulassen, als wäre es ein weltbewegendes Ereignis.«
»Das war es auch. Das ist es immer noch.« Andie trat energisch einen Schritt auf mich zu. »Du weißt das. Deshalb hast du so gelitten. Bitte schreib jetzt nicht die Geschichte um, damit du ihn wieder in deinem Leben unterbringen kannst. Hör zu, es ist nicht zu übersehen, dass du Jake immer noch viel bedeutest, sonst würde er nicht so hartnäckig den Kontakt suchen. Aber ihm muss klar sein, wie egoistisch das ist und was er dir damit antut. Frag dich also bitte, ob dieser Freund es wert ist, dass du ihn behältst.«
Was sie sagte, hörte sich erschreckend ähnlich an wie das, was Lowe gesagt hatte. Plötzlich bekam ich Kopfschmerzen. »Ich mache einen Spaziergang.« Ich ging zur Hintertür und stieg in meine Boots. »Sagst du Mom und Dad Bescheid? Ich nehme mein Handy mit.«
Andie nickte. »Ja, Süße. Lass dir so viel Zeit, wie du brauchst.«
Ich verließ das Haus und atmete tief die frische Luft ein. Meine Füße gaben die Richtung vor, und ehe ich mich versah, stand ich auf dem leeren Parkplatz der Highschool.
Um
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