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Intrige (German Edition)

Intrige (German Edition)

Titel: Intrige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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nachgegangen?«, sagt er. »Irgendwas mit einem deutschen Spion?«
    »Ja, bin ich, danke.«
    »Nichts dran?«
    »Nichts dran.«
    •
    Am Samstagnachmittag sitze ich in meinem Büro und schrei be einen Bericht für Boisdeffre: »Geheimdienstmitteilung über Major Esterházy, 74 . Infanterieregiment«. Die Auf gabe erfordert Fingerspitzengefühl. Einige Male verpfusche ich den Anfang. In vorsichtigen Worten schildere ich, wie das Petit Bleu abgefangen worden sei, berichte von den Nachforschungen über Esterházys verdächtigen Charakter, der Information von Cuers, dass die Deutschen (für die ich das wenig originelle Kürzel X verwende) immer noch einen Spion in der französischen Armee hätten, und wie sehr sich die Handschrift im Bordereau und die von Esterházy äh nelten (»verblüffend selbst für das unkundigste Auge«). Der Bericht umfasst schließlich vier eng beschriebene Seiten. Das Fazit lautet:
    Die beschriebenen Fakten erscheinen ausreichend gravierend, weitere eingehende Nachforschungen zu rechtfertigen. Vor allem ist es notwendig, Erklärungen von Major Esterházy über seine Beziehungen zur Botschaft X und darüber einzuholen, was er mit den von ihm kopierten Schriftstücken gemacht habe. Dabei ist es von entscheidender Bedeutung, überraschend, entschlossen und sorgfältig vorzugehen, weil Major Esterházy als beispiellos dreist und betrügerisch bekannt ist.
    Ich verbrenne meine Notizen und die unbrauchbaren Entwürfe im Kamin und verschließe den fertigen Bericht zusammen mit dem Geheimdossier in meinem Tresor. Er ist viel zu explosiv, als dass er der internen Post anvertraut werden könnte. Ich werde ihn persönlich überbringen.
    •
    Am nächsten Morgen, einem Sonntag, fahre ich mit dem Zug nach Ville-d’Avray zum Essen bei meinem Cousin Edmond Gast und seiner Familie. Das wunderschön gelegene Grundstück mit dem rot gedeckten Haus – La Ronce – befindet sich an der Hauptstraße nach Versailles. Das Wetter ist herrlich. Das von Jeanne vorbereitete Picknick – Rillettes de Canard, Flammekueche, Sauerkraut, Münster – ruft patriotische Gefühle und Erinnerungen an meine Kindertage im Elsass hervor. Alles könnte so schön sein. Und doch kann ich die Schatten der Rue de l’Université nicht abschütteln. Ich versuche, mir nichts anmerken zu lassen, aber neben meinen entspannten und sonnengebräunten Freunden fühle ich mich fahrig und blass. Edmond holt einen alten Kinderwagen aus der Scheune, packt einen Weidenkorb, Decken und Wein hinein und zieht ihn mit dem Rest der Familie im Schlepptau den Weg hinunter.
    Ich halte Ausschau nach Pauline und frage meine Schwester beiläufig, ob sie auch komme. Anna erzählt mir, dass sie mit Philippe und den Mädchen noch eine Woche länger in Biarritz bleibe. Sie mustert mich eingehend. »Du siehst aus, wie wenn dir ein bisschen Urlaub auch guttun würde«, sagt sie.
    »Mir geht’s gut. Aber im Moment habe ich sowieso keine Zeit.«
    »Ach, Georges, dann musst du dir die Zeit eben nehmen .«
    »Ja, ich weiß. Kommt schon noch, versprochen.«
    »Wenn du Frau und Kinder hättest, zu denen du abends nach Hause gehen könntest, würdest du nur halb so viel arbeiten.«
    »O mein Gott«, sage ich lachend. »Nicht schon wieder!« Ich zünde mir eine Zigarette an, um weiteren Diskussionen auszuweichen.
    Wir verlassen den sandigen Weg und gehen in den Wald. »Es ist wirklich traurig«, sagt Anna plötzlich. »Du weißt genau, dass Pauline Philippe nie verlassen wird. Schon wegen den Mädchen.«
    Ich schaue sie verblüfft an. »Wovon redest du?« Sie blickt mir in die Augen, und ich weiß sofort, dass es sinnlos ist, weiter Theater zu spielen. Ich war schon immer ein offenes Buch für sie. »Ich wusste nicht, dass du Bescheid weißt.«
    »Ach, Georges, jeder weiß Bescheid! Seit Jahren!«
    Jeder! Seit Jahren! Ärger steigt in mir auf.
    »Wie auch immer«, sage ich leise. »Wie kommst du darauf, dass ich will, dass sie ihn verlässt?«
    »Das ist ja das Traurige«, sagt sie. »Du willst es nicht.«
    Sie lässt mich stehen und geht weiter.
    Auf einer Lichtung am Rand eines Abhangs, der hinunter zu einem felsigen Bach führt, breiten wir die Decken aus. Mir ist aufgefallen, dass wir Exilanten den Wald lieben. Bäume sind einfach Bäume. Man kann sich leichter vormachen, man wäre noch in seinem Heimatland und würde im Wald von Neudorf Pilze oder Insekten sammeln. Die Kinder rutschen mit den Wein- und Limonadeflaschen die Böschung hinunter und stellen sie zur

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