Intrige (German Edition)
Informationsfluss zu ver schiedenen ausländischen Militärattachés verantwortlich ist und ihre Einladungen zu Manövern, Empfängen, Vorträgen und so weiter organisiert. Ich kenne ihn gut. Sein Leumund ist, wie man zu sagen pflegt, ohne Fehl und Tadel.
Der dritte rekonstruierte Brief ist eine Mitteilung von Schwartzkoppen an Panizzardi:
P. 1 6. 4. 9 4
Mein lieber Freund,
es tut mir wirklich leid, dass wir uns vor meiner Abreise nicht mehr sehen konnten. Wie auch immer, ich werde in acht Tagen zurück sein. Anbei zwölf Pläne von militärischen Einrichtungen in Nizza, die mir dieser Lump D für Dich gegeben hat. Ich sagte ihm, dass Du nicht beabsichtigst, die Verbindung wieder aufzunehmen. Er behauptet, das ist alles ein Missverständnis und er wird sein Möglichstes tun, Dich zufriedenzustellen. Er sagt, dass Du ihm seine Hartnäckigkeit nicht verübeln würdest. Ich erwiderte, dass er verrückt sei und dass ich nicht glaube, dass Du die Verbindung wieder aufnimmst. Tu, was Du willst! Ich bin in Eile.
Alexandrine
Und rammle nicht zu viel!!!
Das letzte Schriftstück, ebenfalls handschriftlich, ist eine von du Paty unterzeichnete Stellungnahme zu Dreyfus’ angeblicher Karriere als Spion. Darin wird der Versuch unternommen, die verschiedenen Beweisschnipsel in einen schlüssigen Zusammenhang zu bringen:
Hauptmann Dreyfus begann seine Spionagetätigkeit für den deutschen Generalstab 18 9 0 im Alter von 30 Jahren, während er die École Centrale de Pyrotechnie Militaire in Bourges besuchte. Er entwendete dort ein Dokument, das den Prozess zur Füllung von Granaten mit Melinit beschreibt.
In der zweiten Hälfte des Jahres 1 89 3 wurde Hauptmann Dreyfus im Rahmen des Anwärterlehrgangs der Ersten Abtei lung des Generalstabs zugeteilt. In dieser Zeit hatte er Zugang zu dem Tresor, in dem Pläne verschiedener Befestigungsanla gen, einschließlich der von Nizza, aufbewahrt wurden. Während der gesamten Zeit seiner Tätigkeit dort legte er ein ver dächtiges Verhalten an den Tag. Nachforschungen ergaben, dass es ihm in einem unbeaufsichtigten Moment ein Leichtes gewesen wäre, diese Pläne aus dem Büro zu entwenden. Sie wurden an die deutsche Botschaft und von dort an den italienischen Militärattaché weitergegeben (siehe Anhang: der Lump D).
Anfang 1 8 9 4 wurde Dreyfus in die Zweite Abteilung versetzt. Auf die Existenz eines deutschen Spions in der Abteilung wurde M. Guénée im März hingewiesen (siehe Bericht von Major Henry im Anhang) …
Das ist alles. Um ganz sicher zu gehen, schüttle ich den Umschlag noch einmal aus. Kann das wirklich alles sein? Ich bin enttäuscht, sogar ein bisschen wütend. Ich fühle mich düpiert. Das sogenannte Geheimdossier enthält nichts als Indizien und Anspielungen. Kein Schriftstück oder Zeuge nennt Dreyfus unmissverständlich einen Verräter. Was einem belastenden Detail am nächsten kommt, ist der Anfangsbuchstabe in Schwartzkoppens Brief an Panizzardi: der Lump D.
Ich lese mir noch einmal die Zusammenstellung von du Patys windigen, unlogischen Aussagen durch. Ergibt das wirklich einen Sinn? Ich kenne den Grundriss und die Arbeitsweise der Ersten Abteilung. Es wäre Dreyfus praktisch unmöglich gewesen, etwas von der Größe eines Bauplans unentdeckt herauszuschmuggeln. Und selbst wenn, das Fehlen der Pläne wäre sofort aufgefallen. Dreyfus muss sie also kopiert und wieder zurückgelegt haben – soll das angedeutet werden? Aber wie sollte er so schnell so viele Kopien herstellen? Und wie hat er es geschafft, die Originale wieder zurück in den Tresor zu schmuggeln, ohne dabei gesehen zu werden? Auch die Daten passen nicht. Dreyfus kam erst im Juli 1 8 9 3 in die Erste, laut Henry war Schwartzkoppen aber schon im Juni im Besitz von gestohlenen Plänen. Und der deutsche Attaché, der jenen D als verrückt bezeichnet? Wer würde im Zusammenhang mit dem akribischen Dreyfus dieses Wort benutzen, ganz zu schweigen davon, dass ihn jemand einen Lump nennen würde?
Ich schließe das Dossier in meinen Tresor ein.
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Bevor ich nach Hause gehe, schaue ich noch im Ministerium vorbei, um einen Termin mit Boisdeffre zu vereinbaren. Der diensthabende Offizier ist Pauffin de Saint Morel. Er sagt, dass sein Chef erst am Dienstag wieder im Büro sei. »Kann ich ihm etwas ausrichten?«
»Lieber nicht.«
»Geheimsache?«
»Geheimsache.«
»Schon verstanden.« Er trägt mich für Dienstagmorgen zehn Uhr ein. »Ach, übrigens, sind Sie der Geschichte von dem alten Foucault
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