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Intrige (German Edition)

Intrige (German Edition)

Titel: Intrige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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einen befestigten Ort.«
    Madame Mercier legte die Hand auf ihre Brust. »Der arme Mann«, sagte sie.
    Der Minister zwinkerte mir zu, gab aber keinen Kommentar ab. »Danke, dass Sie mir gleich Bescheid gesagt haben«, sagte er nur.
    Auch Boisdeffre traf ich in seinem Büro an, ebenfalls in mit Orden bepflasterter Paradeuniform und abfahrbereit zum selben Staatsbankett im Élysée-Palast wie die Merciers. »Wenigstens kann ich jetzt in Ruhe zu Abend essen« lautete seine einzige Bemerkung.
    Nach getaner Arbeit lief ich hinaus auf die Rue Saint-Dominique, erwischte gerade noch eine Droschke und schlüpfte um halb neun in der Salle d’Harcourt auf meinen Platz neben Blanche de Comminges. Ich schaute mich nach Debussy um, konnte ihn aber nirgendwo entdecken. Dann schlug der Dirigent mit dem Taktstock auf das Pult, der Flötist hob sein Instrument an die Lippen, und mit jenen ersten erlesenen, traurig widerhallenden Takten – von denen manche behaupten, sie verkörperten die Geburt der modernen Musik – war Dreyfus schlagartig aus meinen Gedanken verschwunden.

1 2
    Ich warte absichtlich bis zum Abend, bevor ich nach oben gehe, um mit Gribelin zu sprechen. Er schaut verwirrt, als er mich zum zweiten Mal innerhalb von zwei Tagen in der Tür stehen sieht. Ungelenk erhebt er sich von seinem Stuhl. »Herr Oberstleutnant?«
    »Guten Abend, Gribelin. Wenn es Ihnen recht ist, würde ich mir gern das Geheimdossier über Dreyfus anschauen.«
    Bilde ich mir das ein, oder sehe ich da wie bei Lauth einen Hauch von Panik in seinen Augen? »Diese spezielle Akte habe ich leider nicht, Herr Oberstleutnant«, sagt er.
    »Dann muss sie wohl Major Henry haben.«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Als ich die Abteilung übernommen habe, hat Oberst Sandherr mir gesagt, wenn ich irgendwelche Fragen zu der Dreyfus-Akte hätte, dann solle ich mich an Henry wenden. Daraus habe ich geschlossen, dass er sie aufbewahrt.«
    »Nun ja, dann wird das wohl so sein, wenn Oberst Sand herr das gesagt hat …« Gribelin verstummt. Dann fährt er hoffnungsvoll fort: »Ich frage mich, Herr Oberstleutnant … da Henry ja nun einmal in Urlaub ist … ob es nicht besser wäre, wenn wir einfach warten, bis er wieder zurück ist?«
    »Ganz und gar nicht. Er kommt erst in ein paar Wochen zurück, und ich brauche die Akte sofort.« Ich mache eine Pause und warte, dass er sich in Bewegung setzt. »Was ist, Monsieur Gribelin?« Ich strecke meine Hand aus. »Sie haben doch sicherlich die Schlüssel zu seinem Büro.«
    Ich spüre, dass er am liebsten lügen würde. Aber damit würde er den direkten Befehl eines Vorgesetzten missachten. Und das ist ein Akt der Rebellion, zu dem Gribelin von Natur aus unfähig ist – im Gegensatz zu Henry. »Nun ja, wir können ja mal nachschauen …«, sagt er, schließt die untere rechte Schublade seines Schreibtischs auf und nimmt seinen dicken Schlüsselbund heraus. Zusammen gehen wir nach unten.
    Von Henrys Büro schaut man hinunter auf die Rue de l’Université. Der Geruch von den Abwasserkanälen kommt mir in dem ungelüfteten Raum strenger vor. Eine große Fliege knallt immer wieder wie verrückt gegen die schlierige Fenster scheibe. Schreibtisch, Stuhl, Tresor, Aktenschrank, viereckiger, dünner, brauner Teppich: die Standard-Büroeinrichtung im Kriegsministerium. Die einzigen persönlichen Dinge sind eine geschnitzte Holztabakdose in Form eines Hundekopfs auf dem Schreibtisch, ein ausgesprochen scheußlicher deutscher Regimentsbierkrug auf dem Fensterbrett und eine Fotografie von Henry und einigen Kameraden in der Uniform des 2 . Zuaven-Regiments in Hanoi. Er war zur gleichen Zeit dort wie ich. Wenn wir uns dort begegnet sind, habe ich es vergessen. Gribelin geht in die Hocke und öffnet den Tresor. Er durchsucht die Akten. Er findet das Gesuchte, nimmt es heraus und verschließt den Tresor wieder. Als er sich aufrichtet, machen seine Knie das Geräusch von knackenden Zweigen. »Da ist sie, Herr Oberstleutnant.«
    Es ist anscheinend genau der braune Umschlag mit dem D in der Ecke, den ich vor zwanzig Monaten dem Vorsitzenden des Kriegsgerichts übergeben habe – nur dass das Siegel aufgebrochen ist. Ich wiege ihn in der Hand. Ich weiß noch, dass ich dachte, wie leicht er ist, als du Paty ihn mir damals gegeben hat. Er fühlt sich genauso an. »Das ist alles?«
    »Ja. Wenn Sie ihn nicht mehr brauchen, sagen Sie mir bitte Bescheid, dann kann ich ihn wieder wegschließen.«
    »Keine Sorge. Ab jetzt kümmere ich mich

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