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Intrige (German Edition)

Intrige (German Edition)

Titel: Intrige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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auf ein ausgesprochen scheußliches Ölgemälde von Delacroix, das über dem schütteren, weißen Haarschopf des Stabschefs hängt. Nur gele gentlich riskiere ich einen kurzen Blick auf den General selbst. Er scheint gewaltig unter Druck zu stehen. Die Flecken, die seine Backen wie Schlingpflanzen überziehen, haben sich von Purpurrot zu Violett verfärbt.
    »Offen gesagt halte ich es nicht für möglich, die beiden Angelegenheiten getrennt zu behandeln, Herr General …«
    »Der Meinung können Sie sein, Herr Oberstleutnant, aber es nicht Ihre Aufgabe, im Oberkommando Streit anzuzetteln. Das werde ich nicht zulassen!« Er hebt die Zeitung hoch und wedelt damit herum. »Und wo kommt das her?«
    »Die Sûreté glaubt, dass die Familie Dreyfus die Geschichte lanciert haben könnte.«
    »Und, hat sie?«
    »Unmöglich zu sagen. Eine beträchtliche Anzahl von Leuten hat Kenntnis von dem Dossier.« Ich ziehe meine Liste hervor. »Bislang zähle ich einundzwanzig.«
    »Zeigen Sie her.« Boisdeffre streckt die Hand aus. Er überfliegt die Namen. »Sie sagen also, dass einer von denen die undichte Stelle ist.«
    »Ich wüsste nicht, wer es sonst sein könnte.«
    »Mir fällt auf, dass Ihr eigener Name nicht auf der Liste steht.«
    »Ich weiß, dass ich es nicht bin.«
    »Sie vielleicht, aber ich nicht. Ein flüchtiger Beobachter könnte es für einen merkwürdigen Zufall halten, dass gerade in dem Moment, da Sie anfangen, sich für eine Wiederaufnahme des Dreyfus-Verfahrens einzusetzen, Enthüllungen darüber in der Presse auftauchen.«
    Von jenseits der hohen Fenster ist ein lautes Knacken zu vernehmen. Es hört sich an, als wäre ein Baum umgestürzt. Regen klatscht gegen die Scheiben. Boisdeffre, der mich immer noch anstarrt, scheint das nicht zu bemerken.
    »Ich verwahre mich entschieden gegen diese Unterstellung, Herr General. Diese Geschichten nutzen meinen Nachforschungen nicht im Geringsten, wie Sie ja gerade selbst deutlich gemacht haben. Sie machen sie nur schwieriger.«
    »Das ist die eine Sichtweise. Die andere ist, dass Sie nach allen möglichen Hebeln suchen, um den Dreyfus-Fall wieder aufzurollen, ob Sie nun hinter meinem Rücken mit dem Minister sprechen oder über die Presse Unruhe schüren. Wussten Sie, dass ein Mitglied der Abgeordnetenkammer angekündigt hat, der Regierung wegen der Affäre Fragen zu stellen?«
    »Damit habe ich nichts zu tun, ich gebe Ihnen mein Wort.«
    Der Blick, mit dem mich der General anschaut, verrät tiefes Misstrauen. »Hoffen wir, dass jetzt Schluss ist mit diesen Enthüllungen. Es ist schon schlimm genug, dass die Presse über die Existenz des Dossiers berichtet hat. Wenn jetzt auch noch der eigentliche Inhalt ans Licht käme, dann wären die Folgen noch viel schwerwiegender. Diese Liste behalte ich, wenn Sie erlauben.«
    »Natürlich.« Meine Verbeugung gibt, so hoffe ich zumindest, meiner geheuchelten Zerknirschung glaubhaft Ausdruck.
    »Das wär’s, Herr Oberstleutnant.« Er wedelt mit den Fingern, als würde er einen Kellner im Jockey Club wegschicken. »Sie können gehen.«
    •
    Als ich hinaus auf die Rue Saint-Dominique trete, bläst ein Orkan: eine monströse Laune der Natur, die zwischen Mittag und drei Uhr über Paris herfällt. Ich muss mich an Geländern festhalten, damit ich nicht umgeweht werde, und bin nass bis auf die Haut, als ich mein Büro erreiche. Der Wind deckt die Dächer der Opéra-Comique und der Polizeipräfektur ab. Er schlägt an einer Seite des Justizpalastes die Fenster heraus. Flussschiffe reißen sich von ihren Anker plätzen los und knallen gegen die Kaimauer. Einige der Waschfrauen am Ufer der Seine werden ins Wasser geweht und müssen gerettet werden. Die Stände des Blumenmarkts auf der Place Saint-Sulpice werden vollständig weggerissen. Auf meinem Heimweg an jenem Abend wate ich durch zerfetzte Vegetation und zerbrochene Ziegel, die knöchelhoch die Straßen bedecken. Die Verwüstung ist furchtbar, aber insgeheim bin ich erleichtert: Die Zeitungen haben in den nächsten Tagen außer Hauptmann Dreyfus noch anderen Stoff, über den sie schreiben können.

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    Die Atempause ist kurz. Am Montag bringt L’Éclair einen zweiten, längeren Artikel. Die Überschrift könnte von meinem Standpunkt aus nicht schlimmer sein: »Der Verräter: Das Dossier beweist Dreyfus’ Schuld«.
    Mir ist schon übel, als ich mich mit der Zeitung an mei nen Schreibtisch setze. Der Artikel strotzt vor Unwahr heiten, enthält aber einige aufschlussreiche Details:

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