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Intrige (German Edition)

Intrige (German Edition)

Titel: Intrige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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riesigen Fahnen an den Gebäuden – die französische Trikolore mit den senkrechten, die russische mit den waagerechten roten, weißen und blauen Streifen – blähen sich auf und knallen gegen die Stangen. Die seit Sonnenaufgang wartenden Menschen stehen in zehn oder gar zwölf Reihen auf der Brücke. Es heißt, dass es überall in der Stadt genauso aussieht. Laut Polizeipräfekt säumen eineinhalb Millionen Zuschauer die Strecke.
    Das gedämpfte Tosen Tausender jubelnder Stimmen dringt von der Place de la Concorde herüber und dann, wie bei einer Sinfonie allmählich lauter werdend, das Trommeln von Pferdehufen auf Kopfsteinpflaster. Eine schimmernde, die ganze Breite der Straße einnehmende Reihe glänzender Lichter taucht auf, gefolgt von weiteren ebensolchen Reihen, die nach und nach als in der strahlenden Sonne glit zernde Helme und Brustharnische erkennbar werden – Welle um Welle von Lanzenreitern und Kürassieren mit flatternden Fahnen bewegen sich auf ihren Pferden in wogenden Zwölferreihen über die Brücke. Immer näher kommen sie im steifen Trab geradewegs auf uns zu, bis man den Ein druck hat, sie würden die Treppenstufen hinauf mitten durch uns hindurchreiten. Doch dann biegen sie abrupt nach rechts auf den Boulevard Saint-Germain ab. Es folgen Kavallerien aus den Kolonien – Chasseurs d’Afrique, algerische Spahis und arabische Kaids und Stammesführer, deren Pferde vor dem Lärm der Menschenmassen zurückschrecken. Diesen folgt eine Prozession von offenen Staatskarossen mit dem Präsidenten, dem russischen Botschafter, den Führern des Senats und der Abgeordnetenkammer und allen anderen führenden Persönlichkeiten der Republik, darunter auch General Billot. Besonders laut wird Boisdeffre bejubelt, der mit seinem gefiederten Helm nach allen Seiten winkt. Es geht das Gerücht, dass er nach dem Zarenbesuch der nächste Außenminister werden könnte.
    Mit etwas Abstand taucht dann, begleitet von einer berittenen Leibwache, die russische Staatskarosse auf. Pauline seufzt und umklammert meinen Arm.
    Nach all dem Gerede über Allianzen und Armeen beeindruckt mich am meisten, wie klein das kaiserliche Paar ist. Zar Nikolaus II . könnte man für einen verängstigten blonden Jungen mit falschem Bart halten, den man in die Uniform seines Vaters gesteckt hat. Alle paar Sekunden salutiert er mechanisch, indem er mit schnellen Bewegungen den Rand seiner Persianermütze berührt – es wirkt eher wie ein nervöser Tick als eine Würdigung des Beifalls. Die neben ihm sitzende Zarin Alexandra wirkt sogar noch jünger, wie ein Mädchen, das den Kostümfundus geplündert hat. Sie trägt eine Boa aus Schwanendaunen und hält in der einen Hand einen weißen Sonnenschirm und in der anderen einen gewaltigen Blumenstrauß. Sie verneigt sich ständig nach links und rechts. Sie sind jetzt so nah, dass ich das verkrampfte Lächeln der Zarin erkennen kann. Sie machen beide einen beklommenen Eindruck. Als die Kutsche scharf nach rechts abbiegt, neigen sich ihre Körper sanft zur Seite und verschwinden dann aus meinem Blickfeld – abgetaucht in einen Trichter aus Lärm.
    Pauline hält immer noch meinen Arm umklammert, als sie den Kopf wendet, um mir etwas zu sagen. Bei dem Tumult kann ich sie kaum verstehen. »Was?« Sie zieht mich näher zu sich heran, ihre Lippen befinden sich jetzt so nah an meinem Ohr, dass ich ihren Atem spüre. Während ich versuche, sie zu verstehen, sehe ich, dass Henry, Lauth und Gribelin uns anstarren.
    •
    Als die drei zum Büro zurückgehen, folge ich ihnen. Sie gehen vielleicht fünfzig Meter vor mir. Die Rue de l’Université ist leer. Die meisten Leute, einschließlich unserer Damen, sind geblieben, um noch einen Blick auf das Zarenpaar zu erhaschen, wenn es nach dem Mittagessen auf dem Weg zur russisch-orthodoxen Kirche über die Brücke zurückfährt. Irgendetwas an der Art, wie Henry mit einer Hand gestikuliert und die anderen nickend neben ihm hergehen, lässt mich vermuten, dass sie über mich sprechen. Ich kann nicht widerstehen, beschleunige meine Schritte und schließe zu ihnen auf. »Meine Herren!«, sage ich laut. »Freut mich, dass Sie Ihre Pflichten nicht vernachlässigen.«
    Ich habe schuldbewusstes Lachen erwartet, sogar Betretenheit. Aber die drei Gesichter, die sich zu mir umdrehen, schauen mürrisch und aufmüpfig. Ich habe ihr spießbürgerliches Feingefühl mehr beleidigt, als ich dachte. Wir setzen den Weg schweigend fort, und ich ziehe mich für den Rest des Tages in

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