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Intrige (German Edition)

Intrige (German Edition)

Titel: Intrige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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    Panizzardi
    Der entschlüsselte Text – geschrieben von General Gonse – ist beigeheftet: Hauptmann Dreyfus ist verhaftet worden. Das Kriegsministerium hat Beweise für seine Kontakte zu Deutschland. Wir haben die nötigen Vorsichtsmaßnahmen getroffen.
    Ich übertrage das Telegramm und den entschlüsselten Text in mein Notizbuch. Jenseits des Fensters ist der Eiffelturm eine einzige Kaskade aus taumelndem, farbigem Licht. Nach einer letzten donnernden Explosion versinkt er langsam in der Dunkelheit. Ich höre gedämpft aufbrandenden Beifall. Das Schauspiel ist vorüber. Ich schätze, dass man etwa eine halbe Stunde braucht, um sich durch die Menschenmassen in den Jardins du Trocadéro zu drängeln und in die Statistik-Abteilung zurückzukehren.
    Ich widme mich wieder den zusammengeklebten Schriftstücken.
    Ein Großteil des Materials ist unvollständig oder nichtssagend. Die Erkenntnis ärgert mich. Der Versuch, diesen Abfällen irgendeinen Sinn abzugewinnen, kommt mir plötzlich irrwitzig vor. Wir sind auch nicht viel besser als die Haruspices des Altertums, die die Leber von Tieren begutachteten, bevor sie politische Entscheidungen trafen. Meine Augen jucken. Ich bin jetzt seit Mittag im Büro und habe noch nichts gegessen. Vielleicht ist das der Grund, warum mir das entscheidende Schriftstück zunächst nicht auffällt. Ich nehme mir das nächste Schreiben vor, blättere aber dann doch wieder zurück, weil ich das unbestimmte Gefühl habe, etwas übersehen zu haben.
    Es handelt sich um eine kurze Mitteilung, mit schwarzer Tinte auf ein kariertes weißes Blatt Papier geschrieben, das in zwanzig Stücke zerrissen ist, von denen ein paar fehlen. Der Schreiber bietet Schwartzkoppen an, ihm das Geheimnis von rauchfreiem Pulver zu verkaufen. Es ist unterzeichnet mit »Ihr ergebener Dubois« und datiert vom 27 . Oktober 1 8 9 4 – zwei Wochen nach Dreyfus’ Verhaftung.
    Ich schaue mir den Vorgang etwas genauer an. Zwei Tage später schreibt Dubois wieder an den deutschen Attaché. »Ich kann Ihnen eine Patrone des Lebel-Gewehrs verschaffen, die Sie in die Lage versetzt, das Geheimnis des rauchfreien Pulvers zu ergründen.« Schwartzkoppen scheint dem nicht weiter nachgegangen zu sein. Warum auch? Wahrscheinlich ein Spinner. In fast jeder Bar in jeder Garnisonsstadt in Frankreich hätte sich Schwartzkoppen für den Preis eines Biers eine Lebel-Patrone besorgen können.
    Was mich interessiert, ist der Name, mit dem die Mitteilungen unterzeichnet sind. Dubois? Ich bin mir sicher, dass ich den Namen gerade schon einmal irgendwo gelesen habe. Ich gehe noch einmal den Stapel mit den Briefen von Paniz zardi an Schwartzkoppen durch: Mein schönes kleines Mäd chen … Mein grünes Hündchen … Mein Meisterrammler … Dein ergebener zweitklassiger Rammler . Da ist es, in einer Mitteilung aus dem Jahr 1 8 9 3 schreibt der Italiener an Schwartzkoppen: »Ich habe M. Dubois getroffen.«
    Dem Brief ist ein Querverweis zu einem anderen Vorgang angefügt. Es dauert ein paar Minuten, bis ich Gribelins Archivierungssystem begreife und den Verweis in einer Aktenmappe finde. In einem kurzen Bericht von Major Henry an Oberst Sandherr, datiert vom April 1 89 4 , geht es um die mögliche Identität des mit D bezeichneten Agenten, der den Deutschen und Italienern zwölf Pläne von militärischen Einrichtungen in Nizza geliefert hat. Henry kommt zu dem Schluss, dass es sich bei D um einen Jacques Dubois handelt, der als Drucker in einer Firma arbeitet, die Aufträge vom Kriegsministerium erhält. Wahrscheinlich hat er die Deutschen auch mit großflächigen Plänen der Befestigungsanlagen von Toul, Reims, Langres, Neufchâteau und anderen Orten versorgt. Wenn er die Druckmaschine anwirft, ist es ein Leichtes für ihn, ein paar zusätzliche Kopien zum Eigengebrauch durchlaufen zu lassen. »Ich habe ihn gestern befragt«, schreibt Henry. »Ein übler Bursche und krimineller Spinner mit beschränkter Intelligenz und ohne Zugriff auf Geheimmaterial. Die Pläne, die er weitergegeben hat, sind frei zugänglich. Empfehlung: keine weiteren Maßnahmen erforderlich.«
    Da haben wir es. D steht für Dubois, nicht für Dreyfus.
    Ich erhalte den Befehl, einen Mann zu erschießen, also erschieße ich ihn …
    Ich habe mir genau notiert, wo jedes Schriftstück und jeder Ordner archiviert war, und beginne jetzt mit der mühseligen Arbeit,

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