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Intrige (German Edition)

Intrige (German Edition)

Titel: Intrige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Bertillon sagt, dass die beiden Handschriften identisch sind. Das heißt, das wesentliche Beweisstück gegen Dreyfus ist nichts wert! Und was Ihr Geheimdossier angeht …«
    Lautes Gelächter am Nebentisch unterbricht mich. Ich schaue verärgert hinüber.
    Henry mustert mich eindringlich. »Was ist mit dem Geheimdossier?« Er klingt sehr ernst.
    »Bei allem Wohlwollen ist das Einzige, mein lieber Henry, was in dem Dossier auf Dreyfus verweist, die Tatsache, dass die Deutschen und die Italiener Befestigungspläne von einer Person erhalten haben, die mit der Initiale D bezeichnet wird. Übrigens gebe ich nicht Ihnen die Schuld: Sobald Dreyfus in Haft war, unterlag es Ihnen, den Fall so gut wie möglich zu untermauern. Aber jetzt haben wir die Fakten über Esterházy, das ändert alles. Jetzt wissen wir, dass man den falschen Mann verurteilt hat. Also, sagen Sie mir: Was sollen wir jetzt machen? Die neue Lage einfach ignorieren?«
    Ich lehne mich zurück. Henry studiert weiter mein Gesicht. »Bitten Sie mich um meinen Rat?«, sagt er nach einer langen Pause.
    Ich zucke mit den Achseln. »Gewiss. Haben Sie denn einen für mich?«
    »Haben Sie das Gonse erzählt?«
    »Ja.«
    »Auch Boisdeffre und Billot?«
    »Ja.«
    »Und was sagen die?«
    »Dass ich die Finger davon lassen soll.«
    »Dann tun Sie das, um Himmels willen«, sagt er mit zischender Stimme. »Lassen Sie die Finger davon, Herr Oberstleutnant.«
    »Ich kann nicht.«
    »Warum?«
    »Ich kann einfach nicht. Es geht gegen meine Natur. Dafür bin ich nicht in die Armee eingetreten.«
    »Dann haben Sie den falschen Beruf gewählt!« Henry schüttelt fassungslos den Kopf. »Sie müssen tun, was die von Ihnen verlangen, Herr Oberstleutnant. Die sind die Chefs.«
    »Auch wenn Dreyfus unschuldig ist?«
    »Um Himmels willen, schon wieder!« Er schaut sich um. Nun beugt er sich über den Tisch und senkt die Stimme. »Hören Sie, ich weiß nicht, ob er schuldig oder unschuldig ist, Herr Oberstleutnant, und offen gesagt ist mir das auch, Pardon, scheißegal. Und genau so sollten Sie das auch sehen. Ich habe getan, was man mir gesagt hat. Ich erhalte den Befehl, einen Mann zu erschießen, also erschieße ich ihn. Hinterher heißt es, dass man mir den falschen Namen genannt hat und ich einen anderen hätte erschießen sollen – schön, tut mir sehr leid, aber ist nicht meine Schuld.« Er schenkt uns noch einen Kognak ein. »Sie wollen meinen Rat? Also, ich erzähle Ihnen jetzt mal eine Geschichte. Als ich mit meinem Regiment in Hanoi war, gab es in den Kasernen jede Menge Diebstähle. Also haben mein Major und ich dem Dieb eine Falle gestellt und ihn auf frischer Tat ertappt. Es stellte sich heraus, dass es der Sohn des Obersten war – weiß Gott, warum er es nötig hatte, Leute wie uns zu beklauen, aber er hat es getan. Und mein Major – er war ein bisschen wie Sie, sagen wir, er war der idealistische Typ –, also, er wollte den Mann bestrafen lassen. Die hohen Tiere waren anderer Meinung. Trotzdem, er hat nicht lockergelassen und den Fall vors Kriegsgericht gebracht. Und da haben sie meinem Major das Genick gebrochen. Der Dieb wurde freigesprochen. Eine wahre Geschichte.« Henry hebt sein Glas. »Das ist die Armee, die wir so lieben.«

1 5
    Als ich am nächsten Morgen ins Büro komme, liegt die Dreyfus-Akte auf meinem Schreibtisch – nicht das Geheimdossier, sondern die Protokolle des Kolonialbüros, die mir immer noch regelmäßig zur Kommentierung vorgelegt werden.
    In den letzten Wochen haben sich zwei Sicherheitsbedenken bezüglich Dreyfus ergeben. Erstens der Artikel einer englischen Zeitung über Dreyfus’ Flucht. Zweitens ein aus der Rue Cambon an Dreyfus gesandter Brief, der mit einem Namen unterschrieben war, der wie Weiler aussah und eine Botschaft enthielt, die vermutlich mit Geheimtinte geschrieben war: »Letzte Korrespondenz unmöglich zu entziffern. Komme auf das frühere Verfahren in Ihrer Antwort zurück. Nennen Sie genaue Herkunft der Dokumente und wie der Schrank geöffnet werden kann. Bereit, sofort in Aktion zu treten.«
    Dreyfus’ Wachen wurden angewiesen, ihn nach Aushändigung des Briefes genau im Auge zu behalten. Er runzelte nur die Stirn und legte ihn zur Seite. Offenbar hatte er noch nie von einem Weiler gehört. Wir und die Sûreté waren über einstimmend der Meinung, dass es sich nur um einen bös artigen Scherz handelte.
    Ich blättere weiter und stelle fest, dass die beiden Vor fälle vom Kolonialministerium trotzdem zum Vorwand ge

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