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Intrige (German Edition)

Intrige (German Edition)

Titel: Intrige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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alles an seinen angestammten Platz zurückzustellen. Es kostet mich vielleicht zehn Minuten, dann ist alles wieder genau dort, wo es zuvor war, sind die Aktenschränke abgeschlossen und die Tische abgewischt. Als ich fertig bin, ist es kurz nach zehn. Ich lege Gribelins Schlüsselbund wieder in die Schublade, knie mich auf den Boden und mache mich an die knifflige Aufgabe, sie wieder abzuschließen. Während ich mit den beiden dünnen Metallwerkzeugen herumstochere, ist mir bewusst, wie die Minuten verrinnen. Meine Hände sind ungelenk vor Müdigkeit und glitschig vor Schweiß. Aus irgendeinem Grund kommt es mir wesentlich schwieriger vor, ein Schloss zu schließen als es zu öffnen, aber schließlich schaffe ich es. Ich mache das Licht aus.
    Als Letztes bleibt mir jetzt nur noch, die Tür zum Archiv wieder abzuschließen. Ich knie immer noch im Gang auf dem Boden und hantiere mit den Stiften herum, als ich zu hören glaube, dass unten die Eingangstür zugeschlagen wird. Ich halte inne und spitze die Ohren. Ich kann keine verdächtigen Geräusche hören. Das muss ich mir eingebildet haben. Ich mache mich wieder an meine frustrierende Arbeit. Aber dann höre ich zweifelsfrei das Knarzen einer Holzstufe einen Stock tiefer und die Schritte von jemand, der die Treppe zum Archiv hochgeht. Ich bin so nah dran, den letzten Stift zu bewegen, dass ich den Versuch nicht abbrechen will. Erst als ich ein viel lauteres Geräusch höre, geht mir auf, dass ich keine Zeit mehr habe. Ich haste zur nächstgelegenen Tür – abgeschlossen! – und dann zur nächs ten – offen! Ich schlüpfe hinein.
    Ich höre, wie jemand mit langsamen, bedächtigen Schritten durch den Gang geht. Durch den Spalt zwischen Tür und Rahmen sehe ich Gribelin näher kommen. Mein Gott, denke ich, gibt es im Leben dieses erbärmlichen Mannes noch etwas anderes als Arbeit? Er bleibt vor der Archivtür stehen und holt seinen Schlüssel heraus. Er steckt ihn ins Schloss und versucht, ihn umzudrehen. Sein Gesicht kann ich nicht sehen, aber ich sehe, wie seine Schultern sich anspannen. Was ist das? Er drückt die Klinke und öffnet vorsichtig die Tür. Er geht nicht hinein, sondern bleibt auf der Schwelle stehen und lauscht. Dann schiebt er die Tür weit auf, schaltet das Licht an und geht hinein. Ich kann hören, wie er an den Schreibtischschubladen ruckelt. Einen Augenblick später kommt er in den Gang zurück und sieht sich nach beiden Seiten um. Eigentlich ist er ja nur eine alberne kleine Gestalt, ein kleiner Kobold in einem dunklen Anzug. Aber das ist er jetzt nicht. Wie er so dasteht, hellwach, argwöhnisch, bösartig, ist er ein Mann, der mir gefährlich werden kann.
    Schließlich – wahrscheinlich zufrieden mit der Vermutung, dass er einfach vergessen hat abzuschließen – geht er zurück in sein Archiv und macht die Tür zu. Ich warte noch zehn Minuten. Dann ziehe ich mir die Schuhe aus und schlei che auf Strümpfen an seiner Höhle vorbei.
    Auf dem Weg zu meiner Wohnung bleibe ich in der Mitte der Brücke kurz stehen und werfe die Lederrolle mit den Ein bruchswerkzeugen in die Seine.
    •
    In den nächsten Tagen besucht der Zar Notre-Dame, weiht eine neue Brücke auf den Namen seines Vaters ein und tafelt in Versailles.
    Während er seinen Geschäften nachgeht, gehe ich meinen nach.
    Ich überquere die Straße, um mit Oberst Foucault von der französischen Botschaft in Berlin zu sprechen, der für den Zarenbesuch nach Paris gekommen ist. Wir tauschen ein paar Freundlichkeiten aus, ehe ich zur Sache komme. »Haben Sie nach dem Treffen mit unseren Leuten in Basel noch einmal etwas von Richard Cuers gehört?«
    »Ja, er hat sich bei mir bitter darüber beklagt. Ich nehme an, Ihre Leute haben ihn damals ziemlich unter Druck gesetzt. Wen um Himmels willen haben Sie da hingeschickt?«
    »Meinen Stellvertreter, Major Henry, einen weiteren meiner Offiziere, Hauptmann Lauth; und ein paar Polizisten. Warum? Was hat Cuers gesagt?«
    »Dass er in gutem Glauben in die Schweiz gefahren ist, um Ihren Leuten zu erzählen, was er über den deutschen Agenten in Frankreich weiß, dass die ihn aber wie einen Lügner und Spinner behandelt haben. Besonders ein französischer Offizier – ein dicker, mit rotem Gesicht – hätte ihn nur schikaniert, wäre ihm dauernd ins Wort gefallen und hätte keinen Zweifel daran gelassen, dass er kein Wort von dem glaubt, was er sagt. Ich nehme an, dass war eine gezielte Taktik, oder?«
    »Nicht dass ich wüsste. Ganz und gar

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