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Intrige (German Edition)

Intrige (German Edition)

Titel: Intrige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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nicht.«
    Foucault schaut mich konsterniert an. »Tja, ob das nun beabsichtigt war oder nicht, jedenfalls werden Sie von Cuers nie wieder etwas hören.«
    Dann suche ich Tomps im Hauptquartier der Sûreté auf. »Es geht um das Treffen in Basel.« Sofort wird er nervös. Er will niemand in Schwierigkeiten bringen. Aber es ist offen sichtlich, dass die Geschichte an ihm nagt.
    »Ich werde Sie nicht namentlich nennen«, sage ich. »Erzählen Sie mir einfach, was passiert ist.«
    Ich brauche ihn nicht weiter zu drängen. Anscheinend ist er erleichtert, dass er sich alles von der Seele reden kann. »Erinnern Sie sich an unseren ursprünglichen Plan, Herr Oberstleutnant?«, sagt er. »Alles lief wie abgesprochen. Ich bin Cuers vom deutschen Bahnhof zum Münsterplatz gefolgt, habe gesehen, wie er Kontakt zu Vuillecard aufnimmt, und bin den beiden dann bis zum Schweizerhof gefolgt, wo Major Henry und Hauptmann Lauth schon in dem Hotelzimmer auf ihn gewartet haben. Danach bin ich zurück zum Bahnhof gegangen und habe in der Bar gewartet. Ich schätze, so drei Stunden später ist plötzlich Henry hereingekommen, hat sich zu mir gesetzt und etwas zu trinken bestellt. Ich habe ihn gefragt, wie es gelaufen ist, und er hat wortwörtlich gesagt, er habe die Schnauze voll von dem Scheißkerl. Sie wissen ja, wie er redet. ›Von dem erfahren wir nichts, da verwette ich einen Monatssold‹, das waren seine Worte. Ich wollte wissen, warum er schon so früh wieder zurück sei. Und er sagt: ›Ich habe eine Szene gemacht, habe so getan, als ob ich stinksauer wäre, bin einfach rausmarschiert und habe ihn Lauth überlassen. Soll es doch der Jungfuchs probieren!‹ Ich war natürlich enttäuscht, wie das Ganze gelaufen ist, und habe zu Henry gesagt, dass ich Cuers schon lange kenne und weiß, dass er eine Schwäche für Absinth hat. Er lässt es gern richtig krachen. Das wäre vielleicht ein besserer Ansatz gewesen. Für den Fall, dass Hauptmann Lauth nicht weiterkommt, hab ich vorgeschlagen, es selbst noch einmal zu versuchen.«
    »Und was hat Major Henry darauf geantwortet?«
    Mit einer leidlichen Imitation von Henrys Art zu sprechen erzählt Tomps weiter. »›Ist die Mühe nicht wert – vergessen Sie’s‹, hat er gesagt. Dann, so um sechs, ist Lauth gekommen. Ich habe Henry noch einmal gebeten, mir Cuers zu überlassen. Ich wollte mit ihm irgendwohin, einen trinken. Aber er hat nur wiederholt, was er zuvor schon gesagt hat, das hätte keinen Zweck und wir würden bloß unsere Zeit verschwenden. Also haben wir uns in den Nachtzug nach Paris gesetzt, und das war’s.«
    Als ich wieder im Büro bin, lege ich eine Akte über Henry an. Für mich besteht kein Zweifel mehr, dass Henry der Mann ist, der Dreyfus aufs Kreuz gelegt hat.
    •
    Für das Entschlüsseln von Codes sind nicht die Statistik- Abteilung und erst recht nicht das Kriegsministerium zustän dig. Das wird vom Außenministerium erledigt, von einer Gruppe aus sieben Männern unter der Leitung des genialen Majors Étienne Bazeries. Der Major ist für die Zeitungen eine Berühmtheit, seit er die Grand Chiffre der Geheimkorrespondenz von Ludwig XIV . entschlüsselt und die Identität des Mannes mit der eisernen Maske enthüllt hat. Er erfüllt jedes Klischee vom exzentrischen Wunderkind – ungepflegt, aufbrausend, vergesslich – und ist ein Mann, zu dem man nur schwer durchdringen kann. Zweimal werde ich unter einem anderen Vorwand am Quai d’Orsay vorstellig und versuche ihn ausfindig zu machen, nur um von seinen Untergebenen zu erfahren, dass keiner weiß, wo er ist. Erst gegen Ende des Monats kann ich ihn in seinem Büro stellen. Er sitzt hemdsärmelig an seinem Schreibtisch und beugt sich mit einem Schraubenzieher über einen zylindrischen Entschlüsselungsapparat, dessen Einzelteile verstreut vor ihm liegen. Obwohl ich einen höheren Rang bekleide, salutiert Bazeries nicht oder steht auch nur auf. Er hat nie viel von Dienstgraden gehalten und hält offensichtlich auch nicht viel von dem Brauch, sich die Haare zu schneiden, zu rasieren oder, nach dem Geruch in seinem Büro zu urteilen, regelmäßig zu waschen.
    »Es geht um die Dreyfus-Affäre«, sage ich. »Um das Telegramm, das der italienische Militärattaché, Major Panizzardi, am 2 . November 1 8 9 4 an den Generalstab in Rom geschickt hat.«
    Er schaut mich mit zusammengekniffenen Augen durch seine verschmierten Brillengläser an. »Was ist damit?«
    »Sie haben den Code geknackt, oder?«
    »Ja, hat mich neun Tage

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