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Intrige (German Edition)

Intrige (German Edition)

Titel: Intrige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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gekostet.« Er werkelt weiter an seiner Apparatur herum.
    Ich nehme mein Notizbuch heraus und klappe es auf. Auf der linken Seite steht die Zahlenkolonne, die ich im Archiv aus der Akte abgeschrieben habe, rechts der entschlüsselte, von Gonse geschriebene Text: Hauptmann Dreyfus ist verhaftet worden. Das Kriegsministerium hat Beweise für seine Kontakte zu Deutschland. Wir haben die nötigen Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Ich halte Bazeries das aufgeklappte Notizbuch hin. »Ist das Ihre Arbeit?«
    Er wirft einen Blick auf den Text. Sofort verzieht er vor Zorn den Mund. »Mein Gott, ihr gebt nie Ruhe, was?« Er schiebt seinen Stuhl zurück, durchquert mit energischen Schritten das Büro, reißt die Tür auf und ruft: »Billecocq! Bring mir das Panizzardi-Telegramm!« Er dreht sich zu mir um. »Ein für alle Mal, Herr Oberstleutnant, das ist nicht der korrekte Text. Und sosehr sich die Herren das auch wünschen, das ändert nichts daran.«
    »Moment«, sage ich und hebe beschwichtigend die Hand. »Da gibt es offensichtlich eine Vorgeschichte, über die ich nicht Bescheid weiß. Noch einmal, damit das klar ist: Sie behaupten, dass das nicht die korrekte Übertragung des entschlüsselten Telegramms ist?«
    »Der einzige Grund, warum wir neun Tage gebraucht haben, ist der, dass Ihr Ministerium sich beständig geweigert hat, die Fakten anzuerkennen!«
    Ein junger, nervös wirkender Mann, vermutlich Billecocq, betritt mit einer Mappe das Büro. Bazeries reißt sie ihm aus der Hand und klappt sie auf. »Hier – das Originaltelegramm, richtig?« Er hält es hoch, damit ich es sehen kann. Ich erkenne die Handschrift des italienischen Attachés. »Panizzardi hat es um drei Uhr morgens im Telegrafenamt in der Avenue Montaigne aufgegeben. Dank unserer Übereinkunft mit dem Telegrafendienst lag das Telegramm um zehn Uhr hier in unserer Abteilung. Um elf stand Oberst Sandherr genau an der Stelle, wo Sie jetzt stehen, und verlangte, da es sich um eine Angelegenheit von äußerster Dringlichkeit handele, die sofortige Entschlüsselung. Ich habe ihm gesagt, dass das unmöglich sei – es handelt sich bei diesem speziellen Code um einen von großer Komplexität, den wir noch nie zuvor hatten knacken können. Er meinte, er könne mir ein Wort nennen, das garantiert darin vorkomme. Darauf habe ich gesagt, das wäre etwas anderes. Er sagte, das Wort sei Dreyfus.«
    »Wie konnte er wissen, dass Panizzardi Dreyfus erwähnen würde?«
    »Tja, das war ziemlich schlau, muss ich zugeben. Sandherr sagte, er hätte dafür gesorgt, dass am Tag zuvor die Identität des Mannes, den man wegen Spionage verhaftet hat, an die Zeitungen durchgesickert ist. Sein Kalkül war, dass derjenige, der Dreyfus angeheuert hatte, in Panik geraten und sich mit seinem Vorgesetzten in Verbindung setzen würde. Als man Panizzardi mitten in der Nacht zum Telegrafenamt folgte, war sich Oberst Sandherr natürlich sicher, dass seine Taktik aufgegangen war. Ich habe den Code geknackt, aber leider entsprach die Nachricht nicht dem, was er sich gewünscht hatte. Da, lesen Sie selbst.«
    Bazeries zeigt mir das Telegramm. Der Text steht feinsäuberlich unter den Ziffern der Zahlenkolonne: »Wenn Sie keinen Kontakt zu Hauptmann Dreyfus hatten, wäre es zweckdienlich, den Botschafter ein offizielles Dementi veröffentlichen zu lassen, um Kommentare in der Presse zu vermeiden.«
    Um sicherzugehen, dass ich die Konsequenzen verstehe, lese ich den Satz zweimal durch. »Das heißt, dass Panizzardi gar nichts über Dreyfus wusste – das genaue Gegenteil von dem, was Sandherr annahm.«
    »Exakt! Nur dass Sandherr das nicht akzeptieren wollte. Er versteifte sich darauf, dass wir bei irgendeinem Wort Mist gebaut hätten. Er ging damit bis ganz nach oben. Er hat sogar dafür gesorgt, dass Panizzardi von einem seiner Agenten mit frischen Informationen über irgendein anderes Thema gefüttert wurde, damit er gezwungen ist, ein zweites verschlüsseltes Telegramm nach Rom zu schicken, in dem be stimmte technische Termini enthalten sind. Mit dem zweiten geknackten Telegramm konnten wir ihm dann zweifels frei nachweisen, dass das erste korrekt entschlüsselt war. Insgesamt neun Tage hat uns diese ganze Geschichte ge kostet! Also, Herr Oberstleutnant, ich bitte Sie – nicht noch einmal!«
    Ich rechne im Kopf kurz nach. 2 . November plus neun Tage macht 1 1 . November. Der Prozess vor dem Kriegsgericht begann am 1 9 . Dezember. Das heißt, schon mehr als einen Monat, bevor Dreyfus sich vor

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