Intrige (German Edition)
September Ihrem Anwalt gezeigt, der dann entweder die Familie Dreyfus oder L’Éclair darüber informiert hat, mit dem Ziel, die Armee in ein schlechtes Licht zu rücken. Das ist Ihr Modus Operandi.«
»Das bestreite ich vehement.«
»Wer ist Blanche?«
Wieder bringt mich der plötzliche Wechsel seiner Angriffsstrategie aus dem Gleichgewicht. »Die einzige Blanche, die ich kenne, ist Mademoiselle Blanche de Comminges, die Schwester des Comte de Comminges«, sage ich bedächtig.
»Sie ist eine Freundin von Ihnen?«
»Ja.«
»Eine intime Freundin?«
»Ich kenne sie schon sehr lange, wenn es das ist, was Sie meinen. Sie veranstaltet musikalische Soireen, zu deren Gäs ten etliche Offiziere gehören.«
»Sie hat Ihnen ein Telegramm nach Tunesien geschickt, mit dem Wortlaut: ›Wir haben den Beweis, dass das Petit Bleu von Georges gefälscht wurde. Blanche.‹ Was sollen wir davon halten?«
»Ich habe ein Telegramm mit diesem Wortlaut erhalten. Aber ich bin mir sicher, dass es nicht von ihr war.«
»Warum?«
»Weil sie weder geheime Einzelheiten des Dreyfus-Falles kennt noch weiß, dass ich in den Fall verwickelt bin.«
»Obwohl sie, wie ich höre, nun schon seit Jahren ziemlich offen in Paris ihrer Überzeugung Ausdruck verleiht, dass sie Dreyfus für unschuldig hält?«
»Das ist ihre Meinung. Das hat nichts mit mir zu tun.«
»Zu diesen Soireen, die sie veranstaltet, kommen da auch Juden?«
»Vielleicht gibt es unter den Musikern ein paar.«
Als hätte ich gerade etwas höchst Bedeutsames eingestanden, macht sich Pellieux wieder eine Notiz. Er blättert in seinen Unterlagen. »Hier habe ich noch ein verschlüssel tes Telegramm, das man Ihnen nach Tunesien geschickt hat. ›Stoppt den Halbgott. Alles ist aufgedeckt. Äußerst ernste Angelegenheit. Speranza.‹ Wer ist Speranza?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Und doch hat Ihnen diese Person vor einem Jahr einen Brief geschrieben, kurz nachdem Sie die Statistik-Abteilung verlassen haben.«
»Nein.«
»O doch, ich habe den Brief hier.« Pellieux gibt ihn dem Hauptmann, der wieder um den Tisch herumgeht und ihn mir überreicht:
Ich verlasse das Haus. Unsere Freunde sind verärgert. Deine unglückselige Abreise hat alles durcheinandergebracht. Komm so schnell wie möglich zurück! Beeile Dich! Da die Feier tage für unsere Sache ideal sind, rechnen wir am 20. mit dir. Sie ist bereit, wird aber erst handeln, wenn sie mit Dir gesprochen hat. Sobald der Halbgott gesprochen hat, werden wir handeln.
Speranza
Pellieux schaut mich an. »Was sagen Sie dazu?«
»Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Ich habe diesen Brief noch nie gesehen.«
»Nein, können Sie auch nicht. Er wurde nämlich im letzten Dezember von der Statistik-Abteilung abgefangen, und es wurde entschieden, ihn angesichts der höchst verdächtigen Natur der Sprache nicht an Sie weiterzuleiten. Aber Sie bleiben bei Ihrer Haltung, dass nichts in dem Brief Ihnen irgendetwas sagt?«
»Ja.«
»Nun, was sagen Sie dann dazu? In diesem Fall wurde die Weiterleitung des Briefs genehmigt. Sie haben ihn nach Ihrer Abreise aus Paris, aber noch vor Ihrer Ankunft in Tunesien erhalten.«
Hochverehrter Herr,
ich hätte es nie geglaubt, wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte. Mit dem heutigen Tag ist das Meisterwerk vollendet – dank Cagliostro Robert Houdin. Die Comtesse spricht die ganze Zeit von Ihnen und erzählt mir jeden Tag, dass der Halbgott danach fragt, wann es möglich sein wird, einmal wieder den guten Gott zu treffen.
Ihre ergebene, Ihnen die Hand küssende Dienerin
J.
Die Abschrift wurde von Lauth angefertigt und trägt den Stempel geheim und eine von Gribelin angefügte Akten zeichenziffer. Ich erinnere mich daran, das Original letzten Winter in meinem trübseligen Quartier gelesen zu haben, als ich in irgendeiner gottverlassenen Garnisonsstadt festsaß. Es war, als öffnete ich einen Blumenstrauß vom Boulevard Saint-Germain. »Der ist von Germain Ducasse, einem meiner Agenten«, sage ich. »Er meldet den Abschluss einer Operation, die ich gegen die deutsche Botschaft durchgeführt habe. Mit dem vollendeten Meisterwerk meint er, dass die Wohnung, die wir gemietet hatten, komplett geräumt ist. Robert Houdin ist der Deckname des Polizeiagenten Jean-Alfred Desvernine, der bei den Ermittlungen gegen Esterházy für mich gearbeitet hat.«
»Aha«, sagt Pellieux, als hätte er mich ertappt. »Dann steht J also für einen Mann?«
»Ja.«
»Und er unterzeichnet mit ›Ihnen
Weitere Kostenlose Bücher