Intrige (German Edition)
noch einmal von den Umständen, unter denen Sie in den Besitz des Petit Bleu gelangt sind …«
So geht das etwa eine Stunde lang. »Madame Monnier …«, sagt Pellieux plötzlich mit unveränderter Stimme. »Wie viel von Ihrer Arbeit haben Sie ihr erzählt?«
Schlagartig bleibt mir die Luft weg. »Madame Monnier?«
»Ja, die Frau von Philippe Monnier aus dem Außenminis terium. Was haben Sie ihr erzählt?«
»Herr General … bitte …«, sage ich mit angestrengter Stimme. »Ich versichere Ihnen … sie hat nichts mit alldem zu tun.«
»Das zu beurteilen liegt nicht bei Ihnen.« Er wendet sich an den Sekretär. »Die Unterlagen von Oberstleutnant Picquart, bitte.« Während der Sekretär seinen Dokumentenordner öffnet, schenkt Pellieux seine Aufmerksamkeit wieder mir. »Ihnen ist wahrscheinlich nicht bekannt, weil Sie zu dem Zeitpunkt noch auf See waren, Herr Oberstleutnant, dass am Dienstag eine offizielle Durchsuchung Ihrer Wohnung stattgefunden hat, nachdem Major Esterházy Sie beschuldigt hat, offizielle Dokumente in Ihren Räumen aufzubewahren.«
Einen Augenblick lang kann ich ihn nur anstarren. »Nein, das war mir nicht bekannt, Herr General. Sonst hätte ich aufs Schärfste dagegen protestiert. Wer hat das genehmigt?«
»Ich, auf Ersuchen von Oberstleutnant Henry. Major Esterházy behauptet, von einer Frau, deren Namen er nicht kennt, die aber schwört, dass sie eine Bekannte von Ihnen ist, Informationen erhalten zu haben. Diese Frau, die er nur einmal vollständig verschleiert gesehen hat, sagt, dass Sie in Ihrer Privatwohnung geheime Dokumente aufbewahren, die in Zusammenhang mit seinem Fall stehen.«
Die Vorstellung, dass Pauline und Esterházy sich getroffen haben, ist so absurd, dass ich lachen muss. Aber dann legt der Sekretär ein Bündel Briefe vor Pellieux auf den Tisch, die ich als meine private Korrespondenz wiedererkenne: alte Briefe von meiner Mutter und meinem verstorbenen Bruder; Briefe von Familienangehörigen und Freunden; Geschäftsbriefe und Liebesbriefe; Einladungen und Telegramme, die ich aus sentimentalen Gründen aufbewahrt habe. »Das ist ungeheuerlich!«
»Jetzt kommen Sie, Herr Oberstleutnant, warum so empfindlich? Ich glaube nicht, dass wir irgendetwas gegen Sie unternommen haben, was Sie nicht auch gegen Major Esterházy unternommen haben.« Er nimmt Paulines Briefe, die mit einem blauen Seidenband verschnürt sind. »Der Inhalt der Briefe legt nahe, dass Sie eine intime Beziehung zu Madame Monnier unterhalten haben. Eine, die ihrem Gatten wohl nicht bekannt gewesen sein dürfte, ist das richtig?«
Mein Gesicht glüht. »Ich lehne es ab, auf diese Frage zu antworten.«
»Mit welcher Begründung?«
»Mit der Begründung, dass meine Beziehung zu Madame Monnier für diese Untersuchung ohne jede Bedeutung ist.«
»Wenn Sie Madame Monnier geheime Informationen preisgegeben haben oder Madame Monnier jene mit Major Esterházy in Kontakt stehende sogenannte verschleierte Dame ist, dann ist sie sehr wohl von Bedeutung. Und ganz gewiss ist sie das, wenn Sie sich als Folge daraus erpressbar gemacht haben.«
»Aber nichts davon ist wahr!« Jetzt weiß ich, wovor Louis mich gestern Abend in seinem Brief warnen wollte. »Sagen Sie mir eines, Herr General. Werde ich in irgendeinem Stadium dieser Untersuchung auch zu den wesentlichen Fragen dieser Affäre gehört werden?«
»Es gibt keinen Grund, unverschämt zu werden, Herr Oberstleutnant.«
»Zum Beispiel zu der Tatsache, dass Esterházy eindeutig der Verfasser des Bordereaus ist, dass sogar der Hauptsachverständige der Regierung bestätigt hat, dass Esterházys Handschrift mit der des Bordereaus übereinstimmt?«
»Das ist nicht Gegenstand dieser Untersuchung.«
»Oder zu dem gefälschten Material in dem Dossier, aufgrund dessen Dreyfus verurteilt wurde?«
»Der Fall Dreyfus ist eine Res iudicata.«
»Oder zu der Verschwörung innerhalb des Generalstabs, mich nach Nordafrika abzuschieben oder sogar in den Tod zu schicken, um mich daran zu hindern, die Affäre an die Öffentlichkeit zu bringen?«
»Das ist nicht Gegenstand dieser Untersuchung.«
»Wenn das so ist, dann verzeihen Sie mir bitte die Bemerkung, Herr General, dass Ihre Untersuchung ein Schwindel ist, dass Ihre Schlussfolgerungen schon feststanden, bevor ich überhaupt angefangen habe, meine Aussage zu machen, und dass ich hiermit die Mitarbeit an diesem Verfahren beende.«
Und damit stehe ich auf, salutiere, drehe mich auf dem Absatz um und gehe festen
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