Intrige (German Edition)
annahm, dass ich hier bin. Sie blieb und wartete. Sie wusste nicht, wo sie sonst hätte hingehen sollen.
Ich knie mich neben das Bett und halte ihre Hand. »Was genau ist passiert?«
»Philippe hat mich aus der Wohnung geworfen. Ich darf die Mädchen nicht mehr sehen.«
Ich drücke ihre Hand. Für einen Augenblick bin ich sprach los. »Hast du geschlafen?«
»Nein.«
»Zieh wenigstens den Mantel aus, mein Liebling.«
Ich stehe auf und gehe durch das verwüstete Wohnzimmer in die Küche. Ich stelle einen Topf auf den Gasherd und mache ihr ein Getränk aus Kognak, heißem Wasser und Honig. Ich versuche zu verstehen, was passiert ist. Ihre Methoden machen mich sprachlos – die Skrupellosigkeit, die Geschwindigkeit. Als ich mit dem Glas ins Schlafzimmer zurückgehe, hat sie sich bis auf die Leibwäsche ausgezogen. Sie liegt mit einem Kissen unter dem Kopf und bis zum Kinn hochgezogener Decke im Bett. Erschöpft sieht sie mich an.
»Hier. Trink das.«
»Gott, das ist ja ekelhaft. Was ist das?«
»Kognak. Geben sie einem in der Armee gegen alles.«
Ich sitze am Fußende des Betts, rauche eine Zigarette und warte, bis sie sich wieder so weit gefangen hat, mir alles zu erzählen. Am Freitagnachmittag hat sie sich mit einer Freun din zum Tee getroffen: alles normal. Als sie wieder nach Hause zurückkam, war Philippe schon da. Er war früher aus dem Büro gekommen. Von den Mädchen keine Spur. »Er sah merkwürdig aus, wütend … Da habe ich es schon geahnt. Ich war ganz krank vor Sorge.« Sie fragte ihn ruhig nach den Mädchen. Er sagte, dass er sie weggebracht habe. »Er sagt, ich hätte nicht die moralische Kraft, die Mutter seiner Kinder zu sein, und dass er mir nicht sagen würde, wo sie sind, wenn ich ihm nicht die Wahrheit über unsere Affäre erzähle. Ich hatte keine Wahl. Es tut mir leid.«
»Geht es ihnen gut?«
Sie nickt und umfasst das Glas, um sich die Hände zu wärmen. »Sie sind bei seiner Schwester. Aber ich darf sie nicht sehen.« Sie fängt an zu weinen. »Er lässt sich scheiden. Und er sagt, dass ich keinen Zugang zu den Kindern bekomme.«
»Das ist doch Unsinn. Mach dir keine Sorgen. Das kann er nicht tun. Er wird sich schon wieder beruhigen. Er ist nur empört und wütend darüber, dass du eine Affäre hattest.«
»Das hat er doch gewusst«, sagt sie bitter. »Er hat es zumindest immer geahnt. Er hat selbst gesagt, solange keiner davon wusste, hätte er es tolerieren können. Man hat seine Vorgesetzten unterrichtet, und die haben es ihm erzählt – das ist es, was er nicht ertragen kann.«
»Und woher hat es das Außenministerium gewusst?«
»Von der Armee.«
»Unglaublich.«
»Er sagt, die Armee ist davon überzeugt, dass ich die sogenannte verschleierte Dame bin, von der in den Zeitungen die Rede ist. Er sagt, das zerstört seine Karriere, wenn er mit einer Frau verheiratet ist, die in diese Geschichte verwickelt ist. Er sagt, die Mädchen …« Sie weint wieder.
»Mein Gott, was für eine Schweinerei!« Ich lege den Kopf in meine Hände. »Es tut mir so leid, dass ich dich da mit hin eingezogen habe.«
Eine Zeit lang sagt keiner von uns ein Wort. Dann, wie immer, wenn ich mich emotionalen Turbulenzen gegenübersehe, suche ich Zuflucht in praktischen Dingen. »Als Erstes müssen wir dir einen guten Anwalt besorgen. Ich bin mir sicher, Louis wird das übernehmen, oder wenigstens wird er dir jemand empfehlen können. Du brauchst einen Anwalt, der dich gegenüber der Armee vertritt, der dich aus den Zeitungen heraushält und der dir bei der Scheidung zur Seite steht. Bist du dir ganz sicher, dass Philippe sich scheiden lassen will?«
»O ja, wenn es wirklich um seine Karriere geht, dann bin ich mir ganz sicher.«
Selbst dem versuche ich etwas Positives abzugewinnen. »Dann hat er zumindest selbst ein Interesse daran, dass das Ganze ruhig abläuft. Möglicherweise ist dir das bei der Frage der Fürsorge für die Kinder nützlich …« Ich verstumme. Ich weiß nicht, was ich sonst noch sagen soll. »Es tut mir so leid …«, wiederhole ich.
Sie streckt die Arme nach mir aus. Wie Überlebende einer Schiffskatastrophe liegen wir eng umschlungen auf meinem schmalen Bett. Und in diesem Augenblick schwöre ich mir, dass ich Rache nehmen werde.
1 9
Ein paar Tage später finde ich kurz vor Mitternacht einen Zettel, den man unter meiner Wohnungstür durchgeschoben hat. Ich mache die Tür auf, aber es ist niemand zu sehen. Die Botschaft lautet: 1 1, Rue de Grenelle – wenn Du Dir sicher
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