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Intrige (German Edition)

Intrige (German Edition)

Titel: Intrige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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ebenso fest entschlossen ist, auch mich aus dem Weg zu räumen – wenn nötig, für immer.«
    »Das ist haarsträubend«, sagt Zola. »Die erstaunlichste Geschichte, die ich je gehört habe.«
    »Man schämt sich für Frankreich«, sagt Ranc.
    Clemenceau macht sich ebenfalls Notizen. »Wer sind nach Ihrer Auffassung, Oberstleutnant Picquart, die hochrangigen Offiziere in der militärischen Hierarchie, die sich der schwersten Vergehen schuldig gemacht haben?«
    »Von den höheren Dienstgraden sind das für mich fünf Generäle: Mercier, Boisdeffre, Gonse, Billot und jetzt auch Pellieux, der die als Untersuchung getarnte Vertuschungsaktion durchführt.«
    »Und was glauben Sie, Herr Oberstleutnant, was auf Sie jetzt zukommt?«, fragt Mathieu Dreyfus.
    Ich zünde mir eine Zigarette an, ehe ich antworte. »Ich könnte mir vorstellen, dass sie mich, nachdem Esterházy offi ziell von allen Vorwürfen entlastet ist, aus der Armee entlassen und ins Gefängnis stecken.« Bei diesen Worten schwenke ich das Streichholz so entspannt wie möglich aus.
    Ungläubiges Gemurmel am Tisch. »Aber selbst der Generalstab wird doch nicht so dumm sein, oder?«, sagt Clemenceau.
    »Sie haben sich leider in eine Lage manövriert, die ihnen nach ihrer Logik keine Wahl mehr lässt. Wenn Esterházy unschuldig ist, und dafür haben sie sich ja entschieden, um eine Wiederaufnahme des Dreyfus-Falles zu verhindern, dann folgt daraus, dass die Kampagne gegen ihn eine niederträchtige Verschwörung war, und da ich letztlich für diese Kampagne verantwortlich bin, muss ich bestraft werden.«
    »Was sollen wir also Ihrer Meinung nach tun, Herr Oberstleutnant?«, fragt Reinach.
    »Darüber habe nicht ich zu entscheiden. Ich habe Ihnen alles erzählt, was mir möglich war, ohne Staatsgeheimnisse preiszugeben. Ich selbst kann weder Artikel noch ein Buch schreiben, da ich immer noch den Vorschriften der Armee unterstehe. Ich glaube allerdings, dass diese Affäre aus der Rechtsprechung des Militärs auf eine höhere Ebene verla gert werden muss. Die Einzelheiten müssen in einem schlüssigen Zusammenhang dargestellt werden, damit sie zum ersten Mal in ihrer Verhältnismäßigkeit betrachtet werden können.« Ich nicke zu dem Renoir an der Wand hinüber und sehe dann Zola an. »Die Realität muss in ein Kunstwerk transformiert werden, wenn Sie so wollen.«
    »Es ist schon ein Kunstwerk, Herr Oberstleutnant«, erwidert Zola. »Es fehlt nur noch die rechte Angriffsperspektive.«
    •
    Bevor eine Stunde vergangen ist, drücke ich meine Zigarette aus und stehe auf. »Entschuldigen Sie mich jetzt, meine Herren, aber ich sollte als Erster gehen. Ich würde vorschlagen, dass Sie das Haus nicht zusammen verlassen, sondern in Abständen von, sagen wir, zehn Minuten. Bitte, behalten Sie Platz.« Ich wende mich an Charpentier. »Gibt es einen Hinterausgang?«
    »Ja, hinten ist ein Gartentor«, sagt er. »Durch die Küche. Kommen Sie, ich zeige Ihnen den Weg.«
    »Ich hole deine Sachen«, sagt Louis.
    Ich schüttele jedem der Anwesenden zum Abschied die Hand. Mathieu umfasst mit beiden Händen die meine. »Meine Familie und ich können Ihnen gar nicht genug danken, Herr Oberstleutnant.«
    Die Herzlichkeit seines Händedrucks hat etwas Besitzergreifendes, das mich peinlich berührt, ja sogar frösteln lässt.
    »Dafür gibt es keinen Grund«, sage ich. »Ich bin einfach meinem Gewissen gefolgt.«
    Draußen auf der Straße ist die Luft rein. Mir kommt zugute, dass ich meinen Polizeischatten vorübergehend abschütteln konnte, sodass ich unbehelligt über den Boulevard Saint-Germain zum Haus der de Comminges gehen kann. Ich gebe dem Diener meine Karte und werde in die Biblio thek geführt, während er nach oben geht, um meine Ankunft zu melden. Eine Minute später fliegt die Tür auf, Blanche stürzt auf mich zu und wirft mir die Arme um den Hals.
    »Georges, mein Liebling!«, ruft sie. »Weißt du, dass du jetzt der berühmteste Mensch bist, den ich kenne? Wir sitzen alle im Wohnzimmer beim Tee. Los, komm mit, ich will ein bisschen mit dir angeben.«
    Sie will mich mitziehen, aber ich sträube mich. »Ist denn Aimery da?«
    »Ja, er wird dich bestimmt auch sehen wollen. Los, komm mit nach oben. Ich bestehe darauf.« Sie zieht wieder an meiner Hand. »Du musst uns alles erzählen.«
    »Blanche«, sage ich sanft und nehme ihre Hand von mei nem Arm. »Wir müssen miteinander reden, privat, und Aimery sollte auch dabei sein. Würdest du ihn bitte holen?«
    Zum ersten Mal

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