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Intrige (German Edition)

Intrige (German Edition)

Titel: Intrige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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herein. Mein Büro verströmt die kalte, muffige Atmosphäre eines Zimmers, in dem einige Tage lang nicht gearbeitet wurde. Er nimmt sich einen Stuhl. Die spindeldürren Holzbeine knarzen unter seinem Gewicht.
    Er zündet sich eine Zigarette an. »Wie ich höre, waren Sie während meiner Abwesenheit ziemlich beschäftigt.«
    »Haben Sie mit Lauth gesprochen?« Das hätte ich mir gleich denken können: Lauth und Henry sind die dicksten Freunde.
    »Ja, er hat mir alles erzählt. Kann ich das neue Material sehen?«
    Ich öffne den Tresor und gebe ihm die Akte. Ich bin verärgert, und mir ist bewusst, dass ich mich kleinkariert anhöre. »Ich war davon ausgegangen, dass ich Sie als Erster informieren würde.«
    »Spielt das eine Rolle?«
    »Nur insofern, als ich Lauth untersagt habe, mit irgendjemand darüber zu sprechen.«
    Henry, die Zigarette zwischen den Lippen, setzt seine Brille auf und hält die beiden Schriftstücke hoch. »Nun ja«, murmelt er. »Vielleicht bin ich ja mehr für ihn als nur irgendjemand.« Beim Sprechen zittert die Zigarette zwischen seinen Lippen, und Asche fällt in seinen Schoß.
    »Das wollte ich damit nicht in Zweifel ziehen.«
    »Haben Sie in dieser Sache schon irgendetwas unternommen?«
    »In der Rue Saint-Dominique weiß noch keiner davon, wenn Sie das meinen.«
    »Das ist wahrscheinlich auch schlauer so. Die verfallen nur in Panik.«
    »Ganz meine Meinung. Ich möchte, dass wir erst unsere eigenen Nachforschungen anstellen. Ich war schon in Rouen …«
    Er schaut mich über den Brillenrand an. »Sie waren in Rouen?«
    »Ja, im Vierundsiebzigsten – Esterházys Regiment – ist ein alter Freund von mir stationiert, ein Major. Er konnte mir schon mit einigen persönlichen Informationen dienen.«
    Henry liest weiter. »Und dürfte ich fragen, was dieser alte Freund Ihnen erzählt hat?«
    »Er sagt, dass Esterházy die Angewohnheit hat, jede Menge verdächtige Fragen zu stellen. Dass er sogar selbst dafür be zahlt hat, an einem Artilleriemanöver teilnehmen zu können, und danach Kopien von den Schießvorschriften gemacht hat. Und dass er in Geldschwierigkeiten steckt und nicht gerade ein Mann von einwandfreiem Charakter ist.«
    »Ach, wirklich?« Henry dreht das Petit Bleu um und begutachtet die Adresse. »Hier bei uns hat er einen guten Eindruck gemacht.«
    Für die Chuzpe, mit der er die Bombe hochgehen lässt, muss ich ihm Respekt zollen. Ein, zwei Sekunden lang schaue ich ihn nur an. »Lauth hat nichts davon gesagt, dass Esterházy mal hier gearbeitet hat.«
    »Weil er es nicht weiß.« Henry legt die Schriftstücke auf meinen Schreibtisch und nimmt die Brille ab. »Das war lange vor Lauths Zeit. Ich selbst war gerade erst hierher versetzt worden.«
    »Wann war das?«
    »Das muss so fünfzehn Jahre her sein.«
    »Dann kennen Sie Esterházy also?«
    »Ja, allerdings nur oberflächlich. Er war nicht lange hier. Er hat als deutscher Übersetzer gearbeitet. Ich habe ihn schon Jahre nicht mehr gesehen.«
    Ich lehne mich auf meinem Stuhl zurück. »Das hebt die Sache auf eine ganze neue Ebene.«
    »Ach?« Henry zuckt mit den Achseln. »Ich glaube, ich kann Ihnen nicht ganz folgen. Warum?«
    »Sie scheinen das ja sehr gelassen zu nehmen, Herr Major!« Henrys Gleichgültigkeit hat etwas Spöttisches. Langsam werde ich wütend. »Wenn Esterházy schon Einblick in unsere Geheimdienstmethoden hatte, dann liegt es doch auf der Hand, dass man die Sache ernster nehmen muss.«
    Henry lächelt und schüttelt den Kopf. »Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, Herr Oberstleutnant, nehmen Sie das alles nicht so dramatisch. Es spielt keine Rolle, bei wie vielen Schießübungen er dabei war. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Esterházy in Rouen Zugang zu irgendetwas hatte, was wichtig oder außergewöhnlich war. Und Schwartzkoppens Brief belegt das ja zweifelsfrei. Darin drohen ihm die Deutschen, die Verbindung zu ihm zu kappen. Das würden sie nicht machen, wenn sie ihn für einen brauchbaren Spion hielten.«
    Henry macht eine kurze Pause, ehe er weiterspricht.
    »So einen Fehler macht man schnell. Man ist neu im Geschäft, und da hält man den ersten windigen Burschen, der einem über den Weg läuft, gleich für einen Meisterspion. Das ist er nur selten. Tatsächlich kann es sogar darauf hinauslaufen, dass man durch Überreaktionen wesentlich mehr Schaden anrichtet als der mutmaßliche Verräter selbst.«
    »Ich hoffe nicht, dass Sie vorschlagen, ihn einfach weiter Informationen, und seien sie noch so

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