Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Intrige (German Edition)

Intrige (German Edition)

Titel: Intrige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
Vom Netzwerk:
kaum unter die Geheimhaltung.«
    »Aber in Ihrem Büro befinden sich andere Akten, die streng geheim sind.«
    »Ja, und die sind sicher verschlossen.«
    »Trotzdem möchte ich meinen scharfen Einspruch zu Pro tokoll geben …
    »Ach, möchten Sie, Major Henry?«, sage ich und schneide ihm das Wort ab. »Blasen Sie sich doch bitte nicht so auf! Ich leite diese Abteilung und spreche mit jedem, der mir passt!«
    Ich drehe mich auf dem Absatz um, gehe wieder ins Büro und schließe die Tür. »Bekommst du Ärger wegen mir?«, fragt Louis, der bestimmt jedes Wort mitgehört hat.
    »Ach was. Aber diese Leute … also wirklich!« Ich lasse mich auf meinen Schreibtischstuhl fallen und schüttele seufzend den Kopf.
    »Nun ja, die Sache hier ist jedenfalls erledigt.« Louis steht auf und gibt mir die Akte. Obenauf liegen mehrere Blatt Papier mit seiner makellosen Handschrift. »Ist ziemlich eindeutig. Das sind die Punkte, auf die es ankommt.« Er schaut besorgt auf mich herunter. »Deine glanzvolle Karriere, Georges, das ist ja alles schön und gut, aber wir bekommen dich kaum noch zu Gesicht. Freundschaften muss man pflegen. Los, du kommst jetzt mit zu uns, das Abendessen wartet schon.«
    »Danke, aber ich kann nicht.«
    »Warum nicht?«
    Eigentlich will ich sagen: Weil ich dir nicht erzählen darf, was mir im Kopf herumgeht oder was ich den ganzen Tag tue oder was mich alles bedrückt. Und wenn sorglose Vertrautheit unmöglich geworden ist, dann wird gesellschaftlicher Umgang zu Heuchelei und Belastung. »Zurzeit gebe ich leider keine gute Gesellschaft ab«, erwidere ich stattdessen nichtssagend.
    »Das zu beurteilen überlasse ruhig uns. Also los, komm mit.«
    Er ist so herzlich und aufrichtig, dass ich keine Wahl habe, als nachzugeben. »Nun ja, ich würde sehr gern mitkommen«, sage ich. »Aber nur wenn du dir sicher bist, dass Martha nichts dagegen hat.«
    »Mein lieber Georges, nichts wäre ihr lieber.«
    Ihre Wohnung ist nur ein paar Schritte entfernt, sie liegt buchstäblich gegenüber auf dem Boulevard Saint-Germain, und Martha scheint tatsächlich hocherfreut zu sein, mich zu sehen. Kaum habe ich die Wohnung betreten, nimmt sie mich in den Arm. Sie ist siebenundzwanzig, vierzehn Jahre jünger als Louis und ich. Ich war ihr Trauzeuge. Sie unternehmen alles zusammen, wahrscheinlich weil sie keine Kinder haben. Sollten sie deshalb betrübt sein, so lassen sie es sich nicht anmerken. Genauso wenig nerven sie mich mit der Frage, wann ich endlich heirate, was ebenfalls eine große Erleichterung ist. Wir verbringen drei glückliche Stunden zusammen, in de nen wir über alte Zeiten und über Politik reden – Louis ist stellvertretender Bürgermeister seines Arrondissements, des siebenten, und vertritt zu den meisten Themen radikale Ansichten. Der Abend klingt damit aus, dass sie ein Lied singen und ich sie auf ihrem Klavier begleite. Louis bringt mich zur Tür. »Das sollten wir jede Woche machen«, sagt er. »Nicht dass du uns noch eigen wirst. Und denk dran, wenn es im Büro mal länger wird, du kannst immer hier übernachten.«
    »Du bist ein großzügiger Freund, mein lieber Lou. Warst du immer schon.« Ich küsse ihn auf die Wangen und tauche leicht schwankend in die Nacht ein. Ich summe leise die Melodie, die ich gerade gespielt habe: weil ich ein bisschen betrunken bin, aber vor allem weil mir die Gesellschaft gutgetan hat.
    •
    Punkt sieben am nächsten Donnerstagabend sitze ich im Gare Saint-Lazare in einer Ecke des gelben, höhlenartigen Restaurants und trinke im Halbdunkel ein Bier aus dem Elsass. Das Lokal ist überfüllt, ständig ist das Quietschen der Doppelschwingtüren zu hören. Der Geräuschteppich aus plaudernden Stimmen und hin und her laufenden Menschen im Innern und dem Pfeifen, Rufen und den explosionsartig Dampf ausstoßenden Lokomotiven draußen macht es zum idealen Treffpunkt, wenn man nicht belauscht werden will. Ich habe einen Zweiertisch ergattert, von dem man einen freien Blick auf den Eingang hat. Desvernine jedoch überrascht mich erneut, indem er von hinten an mich herantritt. Er hat eine Flasche Mineralwasser in der Hand, lehnt meine Einla dung auf ein Bier ab und zückt, noch während er sich auf der purpurfarbenen Sitzbank niederlässt, sein kleines, schwarzes Notizbuch.
    »Ihr Major Esterházy, Herr Oberstleutnant, ist wirklich ein schräger Vogel. Überall in Rouen und Paris Riesenschulden. Ich habe eine Liste gemacht.«
    »Wofür gibt er das Geld aus?«
    »Hauptsächlich am

Weitere Kostenlose Bücher