Intrige (German Edition)
großen Holztore stehen weit offen. In dem gepflasterten Innenhof parken ein paar Automobile. Am Ende des Hofs erhebt sich eine imposante fünfstöckige Villa mit einem Säulenvorbau. Auf den Stufen zum Eingang liegt ein roter Läufer. Die Fahne mit dem Adler des Deutschen Reichs hängt schlaff an ihrem Mast.
Die von uns gemietete Wohnung befindet sich genau gegenüber, in Nummer 1 0 1 . Ich betrete das Haus und gehe die Treppe hinauf. Durch die geschlossene Tür der Erdgeschosswohnung dringen die kehligen Stimmen deutscher Männer. Einer sagt ausgelassen etwas, und plötzlich brechen alle in Gelächter aus. Das mas kuline Dröhnen begleitet mich bis in den ersten Stock. Ich klopfe viermal. Ducasse öffnet die Tür einen Spalt, sieht mich und öffnet sie ganz.
Die Luft in der Wohnung ist stickig. Die Läden der Fenster sind alle geschlossen, die elektrischen Lampen angeschaltet. Die Deutschen unter uns kann man immer noch hören, aber gedämpfter. Ducasse hat nur Strümpfe an. Er legt einen Finger auf die Lippen und winkt mich ins Wohnzimmer. Der Teppich liegt zusammengerollt an einer Wand. Desvernine liegt bäuchlings auf dem nackten Holzboden und steckt den Kopf in den Kamin. Auch er trägt keine Schuhe. Ich mache den Mund auf, um etwas zu sagen, worauf Ducasse warnend die Hand hebt. Plötzlich zieht Desvernine den Kopf aus der Kaminöffnung und steht auf.
»Ich glaube, sie sind fertig«, flüstert er. »Das ist verdammt ärgerlich, Herr Oberstleutnant! Sie sitzen direkt vor dem Kamin, und ich kann fast verstehen, was sie sagen, aber eben nur fast. Würde es Ihnen etwas ausmachen, die Schuhe auszuziehen?«
Ich setze mich auf die Kante eines Stuhls, ziehe mir die Schuhe aus und schaue mich um. Ich bewundere die Gründlichkeit, mit der Desvernine das Versteck präpariert hat. In drei Fensterläden sind Gucklöcher gebohrt, durch die man die Botschaft gegenüber sehen kann. Vor einem steht auf einem Dreifuß eine Kamera vom aktuellsten Typ, eine für achtzehn Pfund Sterling in London gekaufte, modifizierte Kodak mit einer Filmdose und einem Satz unterschiedlicher Linsen. Vor einem anderem Loch ist ein Fernrohr aufgebaut, und neben dem dritten steht ein Schreibtisch, an dem Ducasse die Zeiten notiert, zu denen Besucher die Botschaft betreten und verlassen. An die Wände sind Studioaufnahmen von verschiedenen für uns interessanten Personen geheftet, einschließlich Esterházy, Schwartzkoppen, des alten deutschen Botschafters Graf Münster und des italienischen Militärattachés Major Panizzardi.
Desvernine, der gerade durch das dritte Guckloch schaut, winkt mich zu sich und tritt dann zur Seite, um mich durchschauen zu lassen. Unter mir überqueren vier Männer in eleganten Gehröcken die Straße. Sie haben uns den Rücken zugewandt und entfernen sich von uns. Vor dem Tor der Botschaft bleiben sie stehen, zwei schütteln einem der beiden anderen die Hand und gehen dann gemächlich in den Hof: wahrscheinlich deutsche Diplomaten. Die beiden auf dem Trottoir Zurückgebliebenen schauen ihnen kurz hinterher und setzen dann ihre Unterhaltung fort.
Ducasse stellt das Fernrohr scharf. »Der links ist Schwartzkoppen, Georges, der rechts der Italiener, Panizzardi«, sagt er.
»Schauen Sie durchs Fernrohr, Herr Oberstleutnant«, bittet mich Desvernine.
Durch die Linse betrachtet, ragen die beiden Männer be unruhigend nah vor mir auf – fast als stünde ich neben ihnen. Schwartzkoppen hat feine Gesichtszüge, ist schlank, auf anziehende Weise lebhaft und exquisit gekleidet: ein Dandy. Wenn er lacht, wirft er den Kopf zurück und entblößt unter seinem breiten Schnauzbart eine Reihe makellos weißer Zähne. Panizzardi hat eine Hand auf seine Schulter gelegt und erzählt ihm anscheinend eine lustige Geschichte. Der Italiener ist auf andere Art attraktiv – mit runderem Gesicht und breiter Stirn, über der das lockige, dunkle Haar nach hinten gekämmt ist. Seine Züge verraten jedoch die gleiche lebendige Heiterkeit. Die beiden brechen wieder in Gelächter aus. Panizzardis Hand liegt immer noch auf der Schulter des Deutschen. Sie schauen sich in die Augen und scheinen die Welt um sich herum gar nicht mehr wahrzunehmen.
»Mein Gott«, sage ich laut. »Die beiden sind verliebt.«
Ducasse lächelt blasiert. »Sie hätten die beiden gestern Nachmittag hören sollen, unten im Schlafzimmer.«
»Miese Schwuchteln!«, brummt Desvernine.
Ich frage mich, ob Madame de Weede von den Neigungen ihres Liebhabers weiß. Gut möglich,
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