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Intrige (German Edition)

Intrige (German Edition)

Titel: Intrige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Spieltisch in einem Laden auf dem Bou levard Poissonière. Das ist eine Sucht, von der man nur schwer wieder loskommt. Habe ich am eigenen Leib erfahren.« Er reicht mir die Liste über den Tisch. »Außerdem hat er eine Ge liebte, eine Mademoiselle Marguerite Pays, sechsundzwanzig, eine amtlich registrierte Prostituierte aus dem Pigalle, bekannt unter dem Spitznamen Vier-Finger-Marguerite.«
    Ich muss unwillkürlich lachen. »Das ist nicht Ihr Ernst, oder?«
    Der ernsthafte Unteroffizier a. D. und jetzige Polizist Des vernine teilt meine Belustigung nicht. »Sie stammt ursprüng lich aus der Gegend von Rouen, Tochter eines Calvados-Brenners, hat als Kind in einer Spinnerei gearbeitet und bei einem Unfall einen Finger verloren und den Job gleich dazu. Geht dann nach Paris, steigt in der Rue Victor Massé ins horizontale Gewerbe ein und lernt letztes Jahr Esterházy ken nen. Entweder im Zug Pari s – Rouen oder im Moulin Rouge – je nachdem, welchem Mädchen man glaubt.«
    »Dann ist diese Affäre also allgemein bekannt?«
    »Durchaus. Er hat ihr sogar eine Wohnung gemietet, Rue de Douai 49 , nicht weit vom Montmartre. Wenn er in der Stadt ist, besucht er sie jeden Abend. Sie hat die Wohnung eingerichtet, aber er ist der Mieter. Die Mädchen im Moulin Rouge nennen ihn den Wohltäter.«
    »So ein Leben kann nicht billig sein.«
    »Damit er es sich leisten kann, mischt er bei jeder nur möglichen Gaunerei mit. Einmal hat er sogar versucht, sich in London in den Vorstand einer britischen Firma einzuschleichen – für einen französischen Offizier eine ziemliche Schnapsidee.«
    »Und seine Frau, wo ist die die ganze Zeit?«
    »Entweder auf ihrem Anwesen in Dommartin-la-Planchette in den Ardennen oder in der Pariser Wohnung. Nach seinen Besuchen bei Marguerite geht er immer zu ihr.«
    »Betrug scheint seine zweite Natur zu sein.«
    »Kann man so sagen.«
    »Und was ist mit den Deutschen? Irgendwelche Verbindungen?«
    »Da bin ich noch nicht weitergekommen.«
    »Vielleicht könnten wir ihn beschatten.«
    »Das könnten wir natürlich«, sagt Desvernine mit zwei felnder Stimme. »Aber so wie ich ihn einschätze, ist er ein misstrauischer Vogel. Er würde uns bestimmt bald draufkommen.«
    »Dann ist es das Risiko nicht wert. Das ist das Letzte, was ich jetzt brauchen kann. Einen Major mit besten Ver bindungen, der sich im Ministerium darüber beschwert, dass man ihn belästigt.«
    »Am besten wäre es, wenn wir die deutsche Botschaft überwachen würden. Vielleich erwischen wir ihn da.«
    »Dafür bekomme ich nie die Genehmigung.«
    »Warum nicht?«
    »Das wäre zu offensichtlich. Der Botschafter würde sich beschweren.«
    »Ich habe eine Idee, wie wir es machen können, ohne dass sie uns draufkommen.« Desvernine zückt sein Notizbuch, öffnet es und gibt mir einen winzigen, sorgfältig heraus getrennten Zeitungsausschnitt. Es ist das Mietangebot für eine Wohnung in der Rue de Lille, der Straße, in der sich das Hôtel de Beauharnais befindet, das die deutsche Botschaft beherbergt. »Die Wohnung liegt im ersten Stock, unmittelbar gegenüber von den Deutschen. Wir könnten einen Beobachtungsposten einrichten und würden jeden sehen, der kommt und geht.« Voller Stolz auf seinen Unternehmungsgeist schaut er mich an und wartet auf meine Einwilligung. »Und jetzt kommt das Beste: Die Wohnung darunter hat die Botschaft gemietet, als eine Art Offiziersklub.«
    Die Idee reizt mich sofort. Mir gefällt die Dreistigkeit daran, aber nicht nur das. Es wäre eine Operation ohne Henrys Wissen.
    »Wir brauchten einen Mieter mit einer glaubwürdigen Tarnung«, sage ich nachdenklich. »Einen, der keinen Verdacht erregt, jemand, der einen guten Grund dafür hat, den ganzen Tag zu Hause zu bleiben.«
    »Vielleicht ein Arbeiter, der nur Nachtdienste macht«, sagt Desvernine. »Einer, der jeden Morgen um sieben nach Hause kommt und abends um sechs wieder zur Arbeit geht.«
    »Wie hoch ist die Miete für die Wohnung?«
    »Zweihundert im Monat.«
    Ich schüttele den Kopf. »Das kann sich kein normaler Nachtschichtler leisten. Es ist eine elegante Straße. Ein glaubwürdiger Mieter wäre irgendein junger reicher Müßiggänger mit einer Apanage – einer, der sich die Nächte um die Ohren schlägt und tagsüber seinen Rausch ausschläft.«
    »Leider habe ich keinen Zugang zu solchen Kreisen, Herr Oberstleutnant.«
    »Sie nicht. Aber ich.«
    •
    Ich schicke ein Bleu an einen jungen Bekannten von mir und vereinbare ein Treffen in einem Café

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