Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Intrige (German Edition)

Intrige (German Edition)

Titel: Intrige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
Vom Netzwerk:
dahintersteckt?«
    »Möglich. Jedenfalls würde ich dem gern nachgehen.«
    Boisdeffre wundert sich offenbar, dass ich so erpicht darauf bin abzureisen, ja, er scheint sogar leicht verschnupft zu sein: eine Einladung zu einer seiner geruhsamen Inspektions reisen in die edleren gastronomischen Regionen des Landes gilt allgemein als Gunstbeweis. »Wie Sie wollen«, sagt er und entlässt mich mit einer schwungvollen Bewegung seiner Serviette. »Halten Sie mich auf dem Laufenden.«
    Am frühen Nachmittag sitze ich in Foucaults Büro im Kriegsministerium und höre mir seinen Bericht an. Unser Militärattaché in Berlin ist ein fähiger, geradliniger Fach mann, den die Jahre des Umgangs mit Lügnern und Fantasten abgehärtet haben. Sein dichtes, eisengraues Haar ist kurz geschnitten und umschließt seinen Schädel wie ein Helm. »Ich habe mich schon gefragt, wann General Boisdeffre endlich die Zeit finden wird, auf meinen Brief zu reagieren«, sagt er. Genervt nimmt er einen Ordner aus seiner Schreibtisch schublade und öffnet ihn. »Sie erinnern sich an unseren Agenten in Tiergarten, Richard Cuers?«
    Im Berliner Stadtteil Tiergarten befindet sich das Hauptquartier des Geheimdienstes der deutschen Armee.
    »Ja, natürlich. Bis wir ihn umgedreht haben, hat er für den deutschen Geheimdienst in Paris gearbeitet. Als ich meinen Posten übernommen habe, hat mich Sandherr darüber informiert.«
    »Nun, er ist entlassen worden.«
    »Schade. Wann war das?«
    »Vor drei Wochen. Haben Sie Cuers mal kennengelernt?«
    Ich schüttele den Kopf.
    »Er ist ein nervöser Bursche, im günstigsten Fall. Aber als er zu mir kam und mir erzählte, was passiert ist, da war er in wahrhaft fürchterlichem Zustand. Er hat Angst, dass der deutsche Generalstab ihn wegen Landesverrats verhaftet. Er glaubt, dass ihn sein Freund Lajoux in Brüssel für Geld verraten hat, was durchaus stimmen könnte. Jedenfalls will er unseren Schutz. Sonst, sagt er, bleibe ihm keine andere Wahl, als zu Hauptmann Dame zu gehen – das ist der Leiter seiner Abteilung – und ihm alles über uns zu erzählen.«
    »Weiß er viel?«
    »Etwas schon.«
    »Dann will er uns also erpressen?«
    »Glaube ich eigentlich nicht. Er will nur beruhigt werden.«
    »Na ja, dann tun Sie ihm eben den Gefallen. Das kostet uns keinen Sou – von mir aus kann er so viel Beruhigungspillen haben, wie er will. Sagen Sie ihm, er kann sich darauf verlassen, dass von unserer Seite nichts durchsickert.«
    »Ich habe ihm gesagt, dass er sich keine Sorgen zu machen braucht, aber das Ganze ist ein bisschen komplizierter.« Foucault seufzt und fährt sich mit der Hand über die Stirn. Ich spüre, dass er unter großer Anspannung steht. »Er will das von Angesicht zu Angesicht bestätigt bekommen – in einem persönlichen Gespräch mit jemand aus Ihrer Abteilung.«
    »Aber das wäre ein unnötiges Risiko, für beide Seiten. Was, wenn er beschattet wird?«
    »Genau das habe ich ihm auch gesagt. Aber er ließ sich nicht davon abbringen. Und da war mir klar, dass mehr dahinterstecken muss als das, was er mir erzählt hat. Ich habe also eine Flasche Absinth aus dem Schrank geholt – er liebt Absinth, er sagt, das erinnert ihn an ein französisches Mädchen, in das er mal verliebt war. So nach und nach habe ich dann die ganze Geschichte aus ihm herausbekommen.«
    »Und die wäre?«
    »Er hat Angst und will mit jemand aus Ihrer Abteilung sprechen, weil die Deutschen, so sagt er, einen Spion in der französischen Armee haben, von dem wir nichts wissen.«
    Jetzt ist es raus. Ich versuche den Gleichgültigen zu spielen. »Und, hat dieser Spion einen Namen?«
    »Nein. Er kann uns nur ein paar Details anbieten, die er hier und da aufgeschnappt hat.« Foucault schaut in seine Akte. »Dieser Agent soll auf der Ebene eines Bataillonskommandeurs angesiedelt sein. Er ist zwischen vierzig und fünfzig Jahre alt. Er liefert seit etwa zwei Jahren Informationen an Schwartzkoppen, hauptsächlich über die Artillerie, das meiste nicht besonders hochkarätig – zum Beispiel hat er vor Kurzem Einzelheiten über ein Artilleriemanöver in Châlons geliefert. Die Informationen haben die ganze Befehlskette durchlaufen, bis nach oben zu Schlieffen persönlich. Der scheint dem Ganzen aber nicht recht zu trauen, er glaubt, die Quelle könnte ein Witzbold oder ein Agent Provocateur sein. Er hat deshalb Schwartzkoppen angewiesen, die Verbindung abzubrechen.« Er schaut von der Akte auf. »Ich habe das alles in meinem Brief an

Weitere Kostenlose Bücher