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Intrige (German Edition)

Intrige (German Edition)

Titel: Intrige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Kontakt mit Cuers aufnehmen und ihm mitteilen, dass wir reden wollen? So schnell wie möglich?«
    »Das mache ich als Erstes, sofort nach meiner Rückkehr.«
    »Die Frage ist: Wo können wir ihn treffen? Jedenfalls nicht auf deutschem Boden.«
    »Ausgeschlossen – zu riskant.« Foucault denkt nach. »Wie wär’s mit der Schweiz?«
    »Das wäre sicher genug. Basel vielleicht. Um diese Jahreszeit wimmelt es da von Touristen. Er könnte sich als Wanderurlauber ausgeben. Dort könnten wir ihn treffen.«
    »Ich werde es ihm unterbreiten und Ihnen dann Bescheid geben. Sie kommen für seine Unkosten auf? Tut mir leid, aber das ist bestimmt seine erste Frage, ich kenne ihn.«
    Ich lächele. »Tja, so sind sie halt, die Leute, mit denen wir zusammenarbeiten! Natürlich kommen wir dafür auf.«
    Ich erhebe mich und salutiere. Dann geben wir uns die Hand. Es fällt kein weiteres Wort. Es ist auch keines mehr nötig – wir verstehen beide die mögliche dramatische Tragweite dessen, was wir gerade besprochen haben.
    •
    Ich habe also wenigstens einen Spion aufgespürt. Was das angeht, ist nicht der Hauch eines Zweifels mehr möglich. Major Charles Ferdinand Walsin-Esterházy – Graf Ester házy, wie er sich selbst gern nennt – wandelt auf den Straßen von Rouen und Paris, spielt, trinkt in Nachtklubs Champagner, vögelt in einer Wohnung am Montmartre seine Vier-Finger-Marguerite und finanziert seinen verkommenen Lebensstil, indem er mit all der Würde eines Klinken putzenden Hausierers versucht, Geheimnisse seines Landes an eine fremde Macht zu verkaufen.
    Ja, Esterházy ist ein einfacher Fall. Eine nach den Fakten, wenn auch nicht nach dem Gesetz glasklare Geschichte. Aber Dreyfus? Mein Gott, das ist ein ungleich größeres Problem – eigentlich ein Albtraum. Während ich zu Fuß vom Ministerium in die Statistik-Abteilung zurückgehe, schwirrt mir von den möglichen Auswirkungen derart der Kopf, dass ich mich wieder einmal zur Gelassenheit zwingen muss. Ich erteile mir selbst Befehle: ein Schritt nach dem anderen, Picquart; keine Emotionen; keine vorschnellen Urteile; keine Mitwisser, bevor du nicht eindeutige Beweise hast.
    Bevor ich das Gebäude betrete, schaue ich dennoch wehmütig in die Rue de l’Université zur Wohnung von Louis Leblois – was gäbe ich dafür, wenn ich die ganze Sache mit ihm besprechen könnte …
    In meinem Büro finde ich eine Nachricht von Desvernine vor mit der Bitte, mich heute Abend zu treffen: gleiche Zeit, gleicher Ort. Wegen meines Ausflugs mit Boisdeffre habe ich ihn seit zehn Tagen nicht mehr gesehen. Ich komme eine Viertelstunde zu spät, und als ich das Café im Gare Saint-Lazare betrete, wartet er schon mit einem Bier für mich und, zum ersten Mal, auch für sich selbst.
    »Das ist eine Premiere«, sage ich, als wir uns zuprosten. »Gibt es irgendetwas zu feiern?«
    »Vielleicht.« Desvernine wischt sich den Schaum vom Schnauzbart, greift in die Innentasche seiner Jacke, legt eine Fotografie mit dem Bild nach unten auf den Tisch und schiebt sie mir zu. Ich nehme das Foto und drehe es um. Diesmal ist eine Lupe überflüssig. Das Foto ist so scharf wie eine Studioaufnahme: Esterházy, auf dem Kopf eine graue Melone, tritt durch das Tor der deutschen Botschaft auf die Straße. Ich kann sogar das leichte Lächeln auf seinen Lippen erkennen. Er ist kurz stehen geblieben, vielleicht um die warme Sonne zu genießen.
    »Er war also wieder da«, sage ich. »Ein wichtiger Hinweis.«
    »Nein, Herr Oberstleutnant, wichtiger ist, was er in der Hand hält.«
    Ich schaue wieder auf das Foto. »Da ist nichts in seiner Hand.«
    Desvernine schiebt noch eine umgedrehte Fotografie über den Tisch, lehnt sich zurück und trinkt genüsslich von seinem Bier, während er meine Reaktion abwartet. Das Bild zeigt eine Gestalt im Dreiviertelprofil, unscharf, in Bewegung, die von der Straße die Botschaft betritt. In der rechten Hand hält sie etwas Weißes: einen Umschlag oder ein Päckchen. Ich lege die Fotos nebeneinander auf den Tisch. Die graue Melone verrät ihn: das, die Größe und die Statur.
    »Wie lange zwischen den beiden Fotos?«
    »Zwölf Minuten.«
    »Er ist leichtsinnig.«
    »Leichtsinnig? Er ist schamlos, genau das ist er. Vor solchen Figuren sollte man sich in Acht nehmen, Herr Oberstleutnant. Ich kenne die Sorte.« Er klopft mit einem fettigen Fingernagel auf das Gesicht. »Es gibt nichts, wovor der zurückschreckt.«
    •
    Am übernächsten Abend erreicht mich ein verschlüsseltes

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