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Intrige (German Edition)

Intrige (German Edition)

Titel: Intrige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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General Boisdeffre erwähnt. Kommt Ihnen irgendetwas davon bekannt vor?«
    Ich tue so, als dächte ich nach. »Im Augenblick nicht.« In Wahrheit muss ich mich zusammenreißen, um nicht von meinem Stuhl aufzuspringen. »Sonst noch etwas?«
    Foucault lacht. »Soll das heißen, ob ich noch eine zweite Flasche geköpft habe?« Er schließt die Akte und legt sie wieder in die Schublade. »Ja, da war noch etwas. Nach unserem Gespräch musste ich ihn erst wieder frisch machen und dann persönlich ins Bett schaffen. Sie sehen, ich leide für mein Vaterland.«
    Jetzt muss auch ich lachen. »Ich werde Sie für einen Orden vorschlagen.«
    Foucaults Gesicht wird wieder ernst. »Die Wahrheit ist, Oberstleutnant Picquart, dass unser Freund Cuers ein Neurotiker ist, und wie die meisten Neurotiker ist er ein Fantast. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Wenn ich Ihnen wiedergebe, was er mir erzählt hat, dann heißt das nicht, dass ich seiner Meinung bin, verstehen Sie? Es gibt Agenten, für die ich mich verbürgen würde, Cuers gehört nicht dazu. Deshalb habe ich den Rest seiner Geschichte auch nicht schriftlich festgehalten.«
    »Ich verstehe durchaus, was Sie meinen.« Ich frage mich, was jetzt noch kommt. »Ich werde alles, was Sie mir erzählen, mit der angemessenen Portion Skepsis beurteilen.«
    »Gut.« Foucault hält inne. Er schaut auf die Schreibtisch platte, runzelt die Stirn und sieht dann mich an – mit einem sehr direkten, sehr festen Von-Soldat-zu-Soldat-Blick. »Also dann: Cuers sagt, dass der deutsche Geheimdienst wegen der Dreyfus-Geschichte immer noch sehr verärgert ist.«
    »Sie meinen darüber, dass wir ihn geschnappt haben?«
    »Nein. Darüber, dass sie noch nie von ihm gehört haben – sagt zumindest Cuers.«
    Ich halte dem Blick des Obersten stand. Seine dunklen Augen schauen mich unbeirrt an. »Was vermutlich bedeutet, dass sie ihn immer noch decken«, sage ich vorsichtig.
    »Wie bitte? Im privaten Gespräch?« Foucault schüttelt den Kopf. »Nein. Zugegeben, vor der Öffentlichkeit werden sie das immer abstreiten müssen – so läuft das diplomatische Spiel. Aber warum etwas hinter verschlossenen Türen abstreiten, Jahr für Jahr?«
    »Vielleicht weil keiner zugeben will, dass Dreyfus sein Spion war – so übel, wie die Sache ausgegangen ist?«
    »Wir wissen doch beide, dass solche Dinge anders laufen, oder? Laut Cuers hat der Kaiser seinerzeit von Feldmarschall Schlieffen persönlich die Wahrheit gefordert: Hat die kaiserliche Armee diesen Juden angeworben, ja oder nein, hat er angeblich gefragt. Schlieffen wiederum hat die gleiche Frage Hauptmann Dame gestellt, und der hat geschworen, noch nie von einem jüdischen Spion gehört zu haben. Auf Schlieffens Befehl hat Dame Schwartzkoppen zum Rapport nach Berlin zurückgerufen – Cuers hat ihn mit eigenen Augen in Tiergarten gesehen. Schwartzkoppen versicherte, er hätte von der Existenz Dreyfus’ zum ersten Mal erfahren, als er am Morgen nach dessen Verhaftung die Zeitung aufgeschlagen habe. Cuers hat mir erzählt, dass Dame diskrete Nachforschungen bei allen befreundeten Nachrichtendiens ten in Europa angestellt habe, ob einer von denen Dreyfus angeworben habe. Das Gleiche: nichts.«
    »Und darüber ärgern sie sich?«
    »Sie wissen doch, wie empfindlich unsere behäbigen preußischen Nachbarn sind, wenn man sie als Trottel hinstellt. Sie halten das Ganze für einen ausgeklügelten Trick der Franzosen, damit sie vor den Augen der Welt schlecht dastehen.«
    »Aber das ist doch absurd!«
    »Natürlich ist es das. Aber das glauben sie eben – sagt zumindest Cuers.«
    Unwillkürlich habe ich die Armlehnen umklammert, als säße ich in einem Zahnarztstuhl. Ich unternehme eine bewusste Anstrengung, mich zu entspannen. Ich schlage die Beine übereinander, ziehe die Bügelfalten meiner Hose glatt und versuche den Gelassenen zu geben, der ich nicht bin und den mir Foucault – der professionelle Connaisseur jedweder Verstellungen – gewiss keine Sekunde lang abnimmt.
    Nach einer langen Pause formuliere ich endlich meine Antwort. »Ich schlage vor, dass wir diese Angelegenheit Schritt für Schritt angehen, und der erste Schritt wäre der, Cuers’ Vorschlag eines Treffens aufzugreifen und ihn gründlich zu befragen.«
    »Ganz meine Meinung.«
    »Und in der Zwischenzeit verlieren wir kein Wort darüber.«
    »Auch da bin ich ganz Ihrer Meinung.«
    »Wie schnell können Sie wieder in Berlin sein?«
    »Morgen Nachmittag.«
    »Darf ich vorschlagen, dass Sie

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