Intrige (German Edition)
zu besprechen. Der Plan ist unkompliziert. Die beiden Männer – plus ein gewisser Kommissar Vuillecard aus Vassy, den Tomps sich als Assistenten ausgesucht hat – nehmen morgen Abend den Schlafwagenzug vom Gare de l’Est, der Basel am Donnerstagmorgen um sechs Uhr erreicht. Alle drei sind bewaffnet. In Basel trennen sie sich. Lauth geht sofort ins Hotel Schweizerhof gegenüber dem Bahnhof, wo er sich ein Zimmer nimmt und wartet. Tomps geht währenddessen auf die andere Seite des Rheins zum zweiten großen Bahnhof der Stadt, dem Badischen Bahnhof, wo die Züge aus Deutschland eintreffen. Vuillecard bezieht inzwischen auf dem Münsterplatz vor dem Basler Münster Stellung, wo für neun Uhr die erste Kontaktaufnahme verabredet ist. Tomps, der ihn von Angesicht kennt, wird Cuers beobachten, wenn er vom Zug aus Berlin durch die Passkontrolle geht, um sicherzustellen, dass er nicht beschattet wird, und folgt ihm dann bis zum Münsterplatz, wo Cuers von Kommissar Vuillecard erwartet wird, der als Erkennungszeichen ein weißes Taschentuch in der Hand hält. Cuers spricht den Kommissar auf französisch an. »Sind Sie Monsieur Lescure?« (Lescure war viele Jahre lang Concierge in der Rue Saint-Dominique.) Der Kommissar verneint die Frage, bietet dem Deutschen aber an, ihn zu Monsieur Lescure zu bringen. Dann begleitet er den Agenten zu seinem Treffen mit Lauth ins Hotel.
»Ich möchte, dass Sie alles an Informationen aus ihm herausholen, was irgend möglich ist«, sage ich zu Lauth. »Egal wie lange es dauert. Wenn nötig, setzen Sie die Befragung am nächsten Tag fort.«
»Ja, Herr Oberstleutnant.«
»Das Hauptinteresse gilt Esterházy, aber Sie brauchen sich nicht darauf zu beschränken, wenn Sie es für richtig halten.«
»Ja, Herr Oberstleutnant.«
»Gehen Sie jedem Hinweis nach, wie absurd er sich auch anhören mag.«
»Natürlich, Herr Oberstleutnant.«
Am Ende des Treffens gebe ich ihnen die Hand und wün sche ihnen Glück. Während Tomps mein Büro verlässt, bleibt Lauth noch. »Wenn Sie erlauben, Herr Oberstleutnant, ich habe noch eine Bitte.«
»Nur zu.«
»Ich glaube, es wäre nützlich, wenn Sie mir Major Henry als Absicherung mitgeben.«
Erst halte ich das für einen Anfall von Lampenfieber. »Also wirklich, Hauptmann Lauth! Das haben Sie doch gar nicht nötig! Sie sind durchaus fähig, allein mit Cuers fertigzuwerden.«
Aber Lauth bleibt hartnäckig. »Ich glaube wirklich, Herr Oberstleutnant, dass unsere Mission von Major Henrys Erfahrung profitieren könnte. Er kennt sich mit Sachen aus, von denen ich keine Ahnung habe. Und er kann gut mit Menschen umgehen. Sie werden unvorsichtig in seiner Gegenwart, während ich in manchen Situationen doch recht … förmlich bin.«
»Hat Major Henry Sie beauftragt, mir das zu unterbreiten? Sie sollten wissen, Herr Hauptmann, auf Offiziere, die hinter meinem Rücken meine Autorität infrage stellen, bin ich nicht gut zu sprechen.«
»Nein, Herr Oberstleutnant. Natürlich nicht!« Lauths blasser Hals läuft bonbonrosa an. »Es steht mir nicht zu, mich in Dinge einzumischen, die mich meinem Dienstgrad gemäß nichts angehen. Aber manchmal habe ich das Gefühl, wenn ich so sagen darf, dass Major Henry vielleicht ein bisschen mehr … Wertschätzung vertragen könnte.«
»Und weil ich ihn nicht nach Basel schicke, verletze ich seine Gefühle – ist es das, was Sie mir sagen wollen?«
Lauth antwortet nichts darauf. Er senkt den Kopf. Zu Recht, denke ich, denn das Verlangen Henrys, seine Nase wie ein neugieriger Concierge in alles hineinzustecken, was in der Abteilung bearbeitet wird, hat etwas Absurdes. Andererseits könnte es, wenn man den persönlichen Ärger beiseitelässt – keine Emotionen, Picquart! – gewisse Vorteile haben, wenn ich Henry das Gefühl gäbe, bei der Esterházy-Untersuchung ein gleichberechtigter Partner zu sein. Die erste Über lebensregel in einer Bürokratie heißt, Seilschaften zu bilden, und ich habe nicht den Wunsch, als einsamer Rufer zu enden – besonders nicht in dieser Sache. Wenn sich herausstellen sollte, was Gott verhüten möge, dass wir uns den Dreyfus-Fall noch einmal vornehmen müssen, dann werde ich Henry an meiner Seite brauchen.
Ich stampfe verärgert mit dem Fuß auf. »Also gut«, sage ich schließlich. »Wenn Sie beide denn unbedingt wollen, dann soll Major Henry Sie von mir aus begleiten.«
»Ja, Herr Oberstleutnant. Danke, Herr Oberstleutnant.« Lauths Dankbarkeit ist fast mitleiderregend.
»Aber die
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