Intruder 3
pelzig an - fast so pelzig wie das Seifenstück mit einem Mal war, ein runder, pumpender Balg, aus dem nun Beine und winzige schwarze Stecknadelaugen 45
wuchsen.
Ein Gefühl unbeschreiblichen Ekels machte sich in Mike breit. Wenn es etwas auf der Welt gab, das er hasste, dann waren es Spinnen. Und diese Tarantel war riesig. Sie erhob sich zitternd auf ihre dünnen, ekelhaft behaarten Beine und drehte sich um. Ihre winzigen, tückischen Augen musterten Mike voller Bosheit. Er wusste, dass die Spinne zum Sprung ansetzte, um mit einem einzigen Satz in seinem Gesicht zu landen und ...
»Nein«, keuchte er. Die Angst schnürte ihm die Kehle zu, und er zitterte am ganzen Leib. Ihm war vollkommen bewusst, dass diese Tarantel so wenig real war wie zuvor die Zigarettenschachtel, aber dieses Wissen nutzte ihm jetzt so wenig wie eben.
Er schloss die Augen, zählte in Gedanken langsam bis fünf und versuchte, die Mischung aus Entsetzen und Ekel niederzu-kämpfen, die in seinen Eingeweiden wühlte. Als er die Lider hob, war die Spinne immer noch da.
Sie hatte sich auf die beiden hinteren Beinpaare aufgerichtet und streckte die vier Vorderbeine in seine Richtung. Er hatte nie zuvor im Leben ein Tier gesehen, das widerwärtiger und Furcht einflößender aussah.
»Nein«, flüsterte er. »Du bist nicht real. Verschwinde!«
Die Tarantel bewegte die Vorderbeine, wie um ihm zuzuwin-ken.
»Du existierst nicht wirklich«, krächzte Mike. »Du kannst mir keine Angst machen. Verschwinde!«
Die Spinne zitterte. Ihr Fell begann zu verblassen, gewann noch einmal Substanz und verschwand schließlich ganz. Die Beine begannen zu schmelzen und zogen sich in den Körper zurück, der plötzlich wieder rechteckig und von verblichener safrangelber Farbe war. Als Letztes blieben die Augen zurück, stecknadelkopfgroße Knöpfe voller boshafter Intelligenz, die ihn noch einen Moment lang anstarrten, ehe auch sie vergin-46
gen. Auf der Ablage lag jetzt wieder ein Stück Seife.
Mike ließ sich mit einem Stöhnen zutiefst erschöpft nach vorne sinken. Für einen Moment war er so schwach, dass er sich mit beiden Händen am Waschbeckenrand aufstützen musste, um nicht zu stürzen. Er fühlte sich unendlich ausge-laugt, war in Schweiß gebadet und zitterte am ganzen Leib, aber als er den Kopf hob und in den Spiegel sah, erschien ein triumphierendes Lächeln auf seinem Gesicht.
»O nein, du verdammter Schwächling«, sagte er zu seinem Spiegelbild. »So leicht mache ich es dir nicht!«
Der Spiegel flackerte, und statt in sein eigenes seitenverkehr-tes Konterfei zu blicken, starrte Mike in das Gesicht eines mindestens tausend Jahre alten Indianers.
Ganz wie du willst, weißer Mann, antwortete der Wendigo.
Lass uns spielen.
Der Indianer verschwand - und mit ihm das Spiegelbild des Waschraumes. Stattdessen blickte Mike wieder auf den Harley-Laden hinab. Der Fettsack saß noch immer hinter der Theke und rauchte, aber er war nicht mehr allein. Ein Kunde befand sich im Laden. Dieser wandte Mike den Rücken zu, doch Mike konnte erkennen, dass er sehr groß und schlank war und rückenlanges, pechschwarzes glattes Haar hatte; ein Indianer.
Ein wimmernder Laut entrang sich Mikes Kehle, als sich der Mann umdrehte.
Es war der Indianer aus dem Van.
Der Indianer, dessen Kind er überfahren hatte.
Illusion!, dachte Mike. Es war nichts als eine Halluzination, genau wie die Zigarettenpackung und die Spinne. Ein Trugbild aus den Tiefen seines Unterbewusstseins. Großer Gott, er war dabei, den Verstand zu verlieren!
»Verschwinde!«, wimmerte er. »Geh weg! Lass mich in Ruhe!«
Diesmal nutzte es nichts. Der Indianer verschwand nicht, sondern begann mit langsamen Schritten durch den Laden zu 47
schlendern. Harley-Davidsons misstrauische Blicke folgten ihm schweigend.
Mike wollte schreien, aber seine Kehle war plötzlich zuge-schnürt. Er konnte die Hände nicht mehr vom Waschbecken lösen. Als er nach unten sah, stellte er fest, dass sie halb in das Porzellan eingesunken und damit verwachsen waren.
Langsam schlenderte der Indianer auf Mike zu, blieb schließ-
lich stehen und ließ seinen Blick nachdenklich über Harley-Davidsons Sammlung schweifen. Schließlich streckte er die Hand nach etwas aus, das sich unter und damit außerhalb von Mikes Blickfeld befand.
Der Fettsack stampfte seine Zigarette mit solcher Wucht in den Aschenbecher, dass die Funken stoben, und wuselte hinter seiner Theke hervor. Er fuchtelte aufgeregt mit den fetten Händen, und
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