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Intruder 3

Intruder 3

Titel: Intruder 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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quellen. Er schrie vor Schmerzen, verstärkte seine Anstrengungen aber noch.
    Zumindest in dieser Hinsicht half ihm das Wissen, dass nichts von alledem real war. Er konnte sich getrost verstümmeln. Die Wunden waren so wenig echt wie der Schmerz!
    Ein verschwommener Reflex huschte über das Bild. Hinter ihm trat der Dunkelhaarige aus der Toilette, und für eine Sekunde erschien das blasse Spiegelbild seines verstörten Gesichts über der unheimlichen Szene. Mike achtete nicht darauf, sondern warf sich immer wieder zurück. Porzellan 50
    knirschte und rieselte in winzigen Splittern zu Boden, Blut floss; nicht nur aus seinen Händen, sondern auch aus dem Spiegel. Der Indianer hatte sich wieder aufgerappelt, streckte den Fettsack mit einem derben Tritt zu Boden und ließ sich dann neben ihm auf die Knie sinken. Er streckte die Hand nach der Axt aus, verharrte auf halbem Weg und beschrieb dann einen Halbkreis, um nach dem Messer zu greifen. Alles geschah gleichzeitig und irgendwie »falsch«. Die Wirklichkeit war in ein Dutzend unterschiedlicher Ebenen zerfallen, die in unterschiedlicher Geschwindigkeit und parallel zueinander abzulaufen schienen, ohne sich gegenseitig zu berühren oder zu beeinflussen.
    Der Dunkelhaarige kam näher und sagte irgendetwas; sein verzerrtes Geisterbild im Spiegel streckte die Hand aus, um Mike zu berühren. Mike schrie vor Schmerz und Entsetzen und versuchte mit immer verzweifelterer Kraft, sich loszureißen.
    Auch das Drama in dem finsteren Gegenpart des Landes Oz hinter dem Spiegel näherte sich seinem Ende: Auch der Fettsack wehrte sich mit verzweifelter Kraft, aber er war zu schwer verletzt und der Indianer zu stark für ihn. Dieser trat erneut zu, diesmal mit solcher Wucht, dass Blut und abgebro-chene Zähne spritzten, dann rammte er ihm das Knie gegen die Brust und drückte ihn mit seinem ganzen Körpergewicht zu Boden. Harley-Davidson begann mit den Beinen zu strampeln.
    Seine verstümmelte Hand fuhrwerkte wild und ungezielt herum, klatschte ins Gesicht des Indianers und hinterließ schmierige schwarze Streifen auf dessen Wange. Der Indianer hob das Messer, grub die Finger der anderen Hand in das strähnige graue Haar des Harley-Mannes und riss dessen Kopf in die Höhe.
    Dann begann er, den Harley-Mann zu skalpieren.
    Mike wurde übel vor Entsetzen. Mit einer letzten, verzweifelten Anstrengung warf er sich zurück, und seine rechte Hand kam frei. Haut und rot melierte Fleischfetzen blieben in dem 51
    zerfransten Krater im Waschbeckenrand zurück, doch seine Hand war endlich frei! Keuchend vor Schmerz und Entsetzen ballte er sie zu Fäusten und schlug sie mit aller Kraft in den Spiegel.
    Glas zersplitterte. Das Blut, das diesmal über Mikes Hand lief, war echt, ebenso wie der brennende Schmerz, mit dem die Scherben in seine Haut schnitten, aber das spielte keine Rolle: Alles was zählte, war, dass dieses Horror-Szenario möglichst schnell aufhörte.
    Der Spiegel zerbarst - und mit ihm das Bild. Der Harley-Mann begann in purer Agonie rasend mit den Beinen zu strampeln und aufzustampfen, bevor das Bild endgültig in Tausende von Puzzleteilen zerfiel, die in alle Richtungen davonflogen, als wäre der Spiegel von einer Granate getroffen worden. Das Letzte, was Mike von der dunklen Seite des Landes Oz sah, war das Gesicht des Indianers, der sich zu ihm umgedreht hatte und höhnisch lächelnd den blutigen Skalp des Fettsacks schwenkte. Dann wurde ihm schwarz vor Augen, und er übergab sich würgend in das Waschbecken.

    *

    »Clever.«
    Frank riss das Ende der Mullbinde weit genug ein, um sie um Mikes Handgelenk schlingen und verknoten zu können. »Einen Zentimeter tiefer, und mit dieser Hand hättest du nicht mehr geschrieben. Vielleicht nie mehr.«
    Mike verzichtete auf eine Antwort und biss stattdessen die Zähne zusammen, um nicht laut aufzuschreien, als Frank den Knoten zuzog. Dieser ging alles andere als behutsam zu Werke, aber Mike hütete sich, zu protestieren. Hätte Frank nicht wieder einmal mit Engelszungen geredet und sein gesamtes diplomatisches Geschick in die Waagschale gewor-fen, dann würde Mike jetzt vermutlich blutend auf der Straße 52
    liegen - oder sich auf dem Rücksitz eines Streifenwagens auf dem Weg zum nächsten Polizeirevier befinden. Er hatte allen Grund, dankbar zu sein.
    Trotzdem war ihre Situation schlimm genug. Sie saßen nicht mehr am gleichen Platz wie zuvor, sondern hatten sich einen Tisch in der hintersten Ecke des Restaurants gesucht - was natürlich

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