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Intruder 3

Intruder 3

Titel: Intruder 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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versuchte erst gar nicht zu verstehen, was da vor sich ging.
    Er fummelte einen Moment ungeschickt herum, bis es ihm gelang, die Maschine wieder zu starten und loszufahren, gab vorsichtig Gas und sah in den Spiegel, um seinem uniformier-ten Schutzengel noch einen dankbaren Blick zuzuwerfen.
    Er war nicht mehr da.
    Lass uns spielen?
    Warum eigentlich nicht?, dachte Mike. Er hatte nichts gegen ein Spiel, und wenn er ganz ehrlich zu sich selbst war, dann nicht einmal gegen dieses.
    Nur hätte er es ganz nett gefunden, wenn ihm endlich irgendjemand die Regeln erklären würde.

    *

    Das McDonald's, von dem Stefan gesprochen hatte, befand sich keine halbe Stunde von Moab entfernt, sondern fast eine ganze; anscheinend war Stefan von der durchschnittlichen Geschwindigkeit ausgegangen, mit der er auf einer deutschen Autobahn gefahren wäre, die sich von einem amerikanischen 65
    Highway mit seinen zahllosen Radarfallen, Geschwindigkeits-beschränkungen und 200-PS-Wagen, deren Fahrer den Te m-pomat auf höchstens siebzig Meilen eingestellt hatten und am Steuer vor sich hin dösten, stark unterschied.
    Mike hätte auf die Geschwindigkeitsbegrenzung gepfiffen, wäre es möglich gewesen. Bei den zwei oder drei Malen, die die mit Kurven nur so gespickte Straße (auf der Landkarte war sie ein schnurgerader Strich, aber das mochte am Maßstab liegen. Nordamerika auf drei DIN-A-4-Seiten war wirklich nicht besonders detailliert), bei den drei Malen also, die die Straße ein Überholen zugelassen hätte, hatte ihn der Gegenver-kehr daran gehindert; nur fünf entgegenkommende Wagen in einer guten Stunde - aber perfekt verteilt auf die fünf einzigen Möglichkeiten, zu überholen.
    Das an den Nerven zerrende Dahinzockeln, zu dem Mike gezwungen war, hatte einen unerwarteten Nebeneffekt: Mike wurde erst nervös, dann so wütend, dass er seinem Vorder-mann am liebsten nahe genug aufgefahren wäre, um ihn mit einem Fußtritt zum schnelleren Fahren zu bewegen. Bald jedoch schlug das Pendel in die Gegenrichtung aus. Eine fast unnatürliche Ruhe begann von ihm Besitz zu ergreifen. Nach einer Weile hörte er auf, bei den anderen Fahrern nervöse Blicke in den Rückspiegel zu provozieren, weil er zu dicht auffuhr, und nahm sein Tempo zurück.
    Eine sonderbare Mischung aus Gelassenheit und Fatalismus bemächtigte sich seiner, wobei der Fatalismus eindeutig überwog. Er hatte dieses Gefühl der Mutlosigkeit nie gekannt, nicht einmal in den zum Teil schlimmen Zeiten, die er durchgemacht hatte, aber nun lernte er es kennen.
    Während er langsam, mit gleichmäßigen fünfundsechzig Meilen pro Stunde nach Norden glitt und nur dann und wann den Horizont absuchte, darauf wartend, dass das rotgelbe McDonald's-Emblem über der Wüste erschien, kam er sich immer einsamer und allein gelassener vor. Nun, er war allein; 66
    fast am anderen Ende der Welt, Tausende von Kilometern von einem normalen Leben und fast allen Menschen entfernt, die er kannte und liebte, und die beiden einzigen lebenden Wesen auf diesem Kontinent, denen er nicht egal war, hatte er in höchste Gefahr gebracht. Er hatte sich auch schon früher in schlimmen Situationen befunden, ein- oder zweimal auch in eindeutig gefährlicheren, und er hatte festgestellt, dass er wie die meisten Menschen in der Lage war, auch die schlimmsten Entbehrun-gen durchzustehen, wenn es ein Licht am Ende des Tunnels gab.
    Am Ende dieses Tunnels war kein Licht, sondern nur eine Dunkelheit, die von namenlosen Schrecken erfüllt war.
    Vielleicht sollte er Schluss machen.
    Mike dachte diesen Gedanken ganz ruhig, auf einer vollkommen emotionslosen Ebene seines Bewusstseins, auf der es weder Raum für Gefühle noch für subjektive Wertungen gab und wo nur Fakten zählten. Seine Lage war in der Tat aus-sichtslos. Er hatte ein Menschenleben auf dem Gewissen, ganz gleich, wie man es auch drehen und wenden mochte, und ganz egal, was Frank auch recherchiert hatte. Niemand verfolgte ihn wegen dieses Menschenlebens, aber nun würden sie ihn wahrscheinlich wege n eines anderen Menschenlebens jagen -
    eine ganz besondere Art von ausgleichender Gerechtigkeit, die ihn mit der einen Sache davonkommen ließ, um ihn für die Schlimmere zu bestrafen, an der er keinerlei Schuld hatte.
    Er wusste mit vollkommener Klarheit, dass es so kommen würde. Er hatte die Spielregeln jetzt durchschaut, vielleicht nicht im Detail, aber im Prinzip. Was immer er tat oder auch unterließ, es würde alles nur noch schlimmer machen. Er hatte es sogar

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