Intruder 3
hat dazu noch den unschätzbaren Vorteil, dass wir die Motela nlage dort kaum verfehlen können. In diesem speziellen Fall macht es also überhaupt nichts, dass wir die Reiseunterlagen nicht mehr haben.«
»Wir müssen nur sehen, dass wir schon heute ein Apartment kriegen«, ergänzte Stefan. »Aber Hauptsache ist: Niemand weiß, dass wir erst einmal dort unterschlüpfen, um unsere Wunden zu lecken und die nächsten Schritte zu beratschlagen.«
»Sagt mal, ihr glaubt doch nicht wirklich, dass sie hinter uns her sind, oder?«, fragte Mike heftig.
»Nein«, antwortete Frank. »Wenn das so wäre, dann würde draußen auf dem Parkplatz wahrscheinlich schon ein SWAT-Team stehen, und der Himmel wäre voller Hubschrauber.«
»Aber sicher ist sicher«, fügte Stefan hinzu.
Mike sah finster von einem zum anderen.
»Ihr beide macht nicht zufällig Front gegen mich?«
»Verdient hättest du es«, antwortete Stefan ruhig. Dann schüttelte er den Kopf. »Ist aber nicht so. Wir wollen nur auf Nummer sicher gehen, das ist alles. Ich habe genug amerikanische Krimis gesehen, um zu wissen, wie die Jungs hier reagieren. Früher oder später werden sie auf uns kommen, und sei es nur, um unsere Zeugenaussagen aufzunehmen. Und irgendwie habe ich gar keine Lust, eine Woche lang Fragen zu beantworten.«
»Wie zum Beispiel die, wie deine Fingerabdrücke auf die Mordwaffe kommen«, fügte Frank hinzu.
»Ihr wisst, dass das Irrsinn ist«, sagte Mike. Er musste sich 70
beherrschen, um Frank nicht anzuschreien. Natürlich hatte er mit jedem Wort, das er sagte, Recht. Aber Mike fühlte sich auf absurde Weise im Stich gelassen, und er empfand ein noch viel absurderes Gefühl von Eifersucht. Frank war sein bester Freund, zum Teufel, nicht Stefans! Er hatte gefälligst zu ihm zu halten, und wenn er tausend Mal im Unrecht war!
»Stimmt«, antwortete Frank ungerührt, »aber ...«
»Weißt du, woran mich die Situation erinnert?«, unterbrach ihn Mike. »An etwas, das du mir selbst einmal erzählt hast, vor vielen Jahren.«
Frank sah ihn fragend an.
»Ich habe dich damals gefragt, wie du einen Krimi konzipie-ren würdest, erinnerst du dich?«, fuhr Mike fort. »Du hast gesagt, du würdest ganz harmlos anfangen. Mit einer Banalität, einer Alltagssituation, in der dein Held falsch reagiert.«
»Ein potenziell Mordverdächtiger zu sein ist nicht gerade eine Alltagssituation«, warf Stefan ein.
»Dem ersten Fehler folgt ein Zweiter, dann noch einer und noch einer, und schließlich ist es so weit, dass es kein Zurück mehr gibt. Dein Held würde sich selbst immer tiefer in die Scheiße reiten und es erst dann merken, wenn es zu spät ist.
Woran erinnert mich das wohl?«
»Und was schlägst du vor?«, fragte Frank ruhig. »Sollen wir vielleicht umkehren und zu den Cops sagen, dass alles nur ein großes Missverständnis war?« Er schüttelte den Kopf. »Dazu ist es schon zu spät, mein Lieber.«
Natürlic h hatte er Recht. Mike fragte sich vergebens, warum er diese Frage überhaupt gestellt hatte. Er sagte nichts, aber er spürte plötzlich Stefans bohrende Blicke, und als er den Kopf hob, las er die Antwort auf seine Frage in dessen Augen.
Letztlich war es seine Idee gewesen, vorsichtshalber das Weite zu suchen. Mike fragte sich, ob in Franks Worten vielleicht ein Vorwurf verborgen sein mochte, der ihm bisher entgangen war.
»Natürlich nicht«, antwortete er mit einiger Verspätung.
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»Entschuldige. Du hast vollkommen Recht. Ich bin ... nur ein bisschen nervös.«
»So wie wir auch, ja«, sagte Frank. Er schüttelte den Kopf.
»Was ist jetzt? Versuchen wir es wenigstens? Falls wir nicht den ganzen Weg schaffen, übernachten wir irgendwo unterwegs.«
Mike hob die Schultern. Dann nickte er.
»Gut«, sagte Stefan. »Dort drüben steht übrigens ein Geldau-tomat. Ich schlage vor, wir quetschen unsere Kreditkarten bis zum Limit aus und zahlen die nächsten Tage nur noch bar. Auf diese Weise hinterlassen wir weniger Spuren.«
Die Sache macht ihm tatsächlich Spaß, dachte Mike. So abstrus ihm selbst der Gedanke auch vorkam, er war sich plötzlich sicher, dass das alles hier für Stefan noch immer bloß ein großes Abenteuer war.
Ohne ein weiteres Wort stand er auf und griff nach seiner Brieftasche.
Alles in allem hatten sie so viel Zeit verloren, dass sie es nicht mehr schafften, Monument Valley bei Tageslicht zu erreichen.
Im Westen Nordamerikas wurde es sowieso relativ früh dunkel
- und dabei bitterkalt. Mit dem Untergang
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