Invasion 02 - Der Angriff
leichte Bluse, die die Achtjährige trug, hatte sich ein Stück nach oben geschoben, so dass man die kleine Automatikpistole sehen konnte, die in ihrem Gürtel steckte. Sharon hätte heulen können. Es war, als ob die Katastrophe Amerika bereits erfasst hätte und sie in einem post-apokalyptischen Albtraum unterwegs waren. Sharon atmete tief durch und zwang sich, ruhig zu bleiben. Der Stress von der Agincourt und dem katastrophalen Besuch bei ihren Eltern hatte sich immer noch nicht ganz gelegt. Aber er würde mit der Zeit vergehen. Das musste er einfach.
»Wahrscheinlich. Irgendwo finden wir schon etwas. Und falls nicht, haben wir ja noch unsere ›Reiserationen‹«, schloss sie und lächelte. Die Rationen waren Papa O’Neals Idee gewesen, und dafür war sie ihm dankbar.
Papa O’Neal hatte die Entwicklung in den Vereinigten Staaten gründlicher beobachtet als Sharon oder Mike. Als sie ihm von ihrer Absicht erzählt hatten, mit dem Auto in den Süden Floridas zu fahren, hatte er Einwände erhoben. Zwar verfügten sie dank der Gegenstände, die Mike »einlagern« sollte, über uneingeschränkte Treibstoffrationen, aber es gebe auch andere Probleme, hatte er zu bedenken gegeben. Er hatte sich nur vage über das Fehlen von Dienstleistungsbetrieben im Süden von Florida geäußert, aber vorgeschlagen, dass es am besten wäre, auf der Farm zu bleiben. Als Sharon und Mike hartnäckig geblieben waren, hatte er eine Anzahl verblüffender Vorschläge gemacht – und das mit solchem Nachdruck, dass die beiden schließlich nachgegeben hatten, vielleicht weil sie der Meinung waren, dass Vorsicht ja nie schaden konnte.
Deshalb waren jetzt ein 20-Liter-Kanister mit Benzin und eine Schaufel an das Reserverad im hinteren Teil des Wagens geschnallt. In den unergründlichen Tiefen der Ladefläche gab es drei Kästen Bier und zwei weitere Kästen mit verschiedenen Alkoholika, dazu Kartons voll Dosen mit diversem Räucherfleisch aus eigener Farmproduktion sowie versiegelte Behälter mit diversem Trockenobst. Wenn sie auf einer Wüsteninsel stranden sollten, würden sie mit diesen Vorräten mindestens einen Monat überleben können.
Neben Lebensmitteln und alkoholischen Getränken hatte Papa O’Neal dringend geraten, »Tauschware« mitzunehmen. Der bloße Gedanke, so alltägliche Gegenstände wie Haken und schwere Plastikrohre auf die Keys mitzunehmen, um daraus Wurfspeere zu machen, war ihnen lächerlich vorgekommen. Wenn Mike sich umsah, war er jetzt freilich seinem Vater für dessen weise Voraussicht dankbar. Der Alte hatte Jahre unter primitivsten Umständen in Ländern der Dritten Welt verbracht, und jetzt sah es so aus, als wären die Zustände auf den Keys nicht viel besser. Selbst wenn niemand bereit war, für Unterkunft und Verpflegung Föderations-Credits anzunehmen, war Mike doch bereit, jede Wette einzugehen, dass ihm eine Schachtel mit Angelhaken so manche Türe öffnen würde.
»Na, dann sehen wir uns mal um, ja?«, meinte Mike und legte den Gang ein. Er lenkte den schweren Wagen bewusst so, dass er den Palmwedel zerquetschte, als könne er damit bildlich die ganze Niedergeschlagenheit besiegen, die ihre trostlose Umgebung erzeugte. Als sie in die Seitenstraße in Richtung auf No-Name-Key einbogen, packte der Wind den zerdrückten Palmwedel und warf ihn auf den Highway. Der kräftige Wind pfiff durch die verlassenen Gebäude und verwischte die Spuren, die ihr Tahoe im Treibsand des Parkplatzes hinterlassen hatte.
22
Fort Indiantown Gap, Pennsylvania,
United States of America, Sol III
1400 EDI, 2, Oktober 2009
»Teri, du musst es dir einfach verkneifen, dich mit Soldaten auf einen Pinkelwettbewerb einzulassen.«
Teri Nightingale seufzte tief, als Ernie Pappas’ kräftige, mit Öl bedeckte Finger sich in ihre verspannten Rückenmuskeln gruben. Die Daumen des First Sergeant wanderten an ihrer Wirbelsäule entlang nach oben und glätteten den ganzen Stress weg, der sich tagsüber angesammelt hatte. Sie spürte, wie sich bei seinem Vorwurf die Muskeln zu verspannen versuchten, zwang sich aber ruhig zu bleiben. Hatte keinen Sinn, ärgerlich zu werden. Er hatte ja Recht.
»Ich weiß«, sagte sie und seufzte noch einmal resigniert. »Ich weiß. Aber ich war auf diesen Stewart so sauer, dass ich einfach nicht anders konnte.«
»Und jetzt guckst du blöd aus der Wäsche«, zischte Pappas brutal. »Nicht, dass ich was gegen deine Wäsche hätte«, fügte er hinzu und versetzte ihr einen kleinen Klaps, wälzte sich
Weitere Kostenlose Bücher