Invasion 03: Der Gegenschlag
unten gekommen war, begann demzufolge zuerst eine und dann auch die andere Fußschlinge selbsttätig zu rutschen. Sie verlagerte sofort ihr Gewicht auf die beiden Handschlingen, aber der plötzliche Ruck, der dabei entstand, führte dazu, dass auch diese zu rutschen begannen.
Damit begann eine Rutschpartie in die Tiefe, gegen die sie nicht viel unternehmen konnte, außer sich mit beiden Händen an den oberen Schlaufen festzuklammern, als ob ihr Leben davon abhinge – was ja vermutlich auch den Tatsachen entsprach. Wenn sie sich mit aller Gewalt festklammerte, konnte sie das Tempo verlangsamen, aber sie roch bereits, wie die Knoten zu schmelzen und auszufasern begannen. Deshalb zog sie eine der Fußschlaufen nach oben, indem sie sich wie ein U zusammenkrümmte, aber auch an dieser hatte der Knoten zu rauchen begonnen, und die Schachtsohle kam ihr demzufolge ziemlich schnell entgegen.
Sie hatte es gerade geschafft, ihren Sturz in die Tiefe etwas zu verlangsamen, als zuerst eine der Fußschlaufen, dann die andere nachgab. Ihre in Handschuhen steckenden Hände waren jetzt praktisch das Einzige, was sie am Kabel festhielt, und sie krachte mit beinahe dreißig Stundenkilometer auf die Schachtsohle, wo das Kabel endete.
Was sie davor bewahrte, sich das Rückgrat zu brechen, waren verschiedene Variable. Die eine war, dass sie sich nahe dem Kabelende befand und das Eigengewicht des Metalls über ihr das Kabel etwas »gedehnt« hatte. Deshalb gab es ein wenig nach, als sie das Ende erreichte. Die zweite Variable war, dass die Sicherheitsleine ein wenig nachgab, so dass ein Teil der Energie auf diese Weise absorbiert wurde. Zu guter Letzt war ihr Geschirr gut konstruiert und verteilte den größten Teil der Energie an ihrer Wirbelsäule entlang und nicht senkrecht dazu.
Das hieß nun nicht, dass das Ganze besonders angenehm war, es reichte halt zum Überleben. Sie krachte hart gegen die Wand, und das Einzige, was verhinderte, dass sie sich den Schädel dabei brach, war, dass ihre Schulter den größten Teil des Aufpralls auffing. Freilich führte das dazu, dass ihr linker Arm ihr von diesem Augenblick an den Dienst versagte. Nicht, dass etwas gebrochen gewesen wäre, er ließ sich nur nicht mehr abbiegen.
Einen Augenblick lang baumelte sie am Ende des Kabels und stöhnte vor sich hin.
»Alles okay?«, fragte Shari drei Meter über ihr.
»Nein, okay bin ich nicht«, ächzte Wendy. »Ich lebe und …« Sie bewegte Arme und Beine. »Alles scheint noch zu funktionieren. Aber als ›okay‹ würde ich das nicht bezeichnen.«
»Ich habe dort oben einen Posleen gesehen«, flüsterte Shari.
»Ja, dieser verdammte Postie ist da irgendwo über uns, Shari«, erklärte Wendy. »Und den ganzen Durchmesser des Schachts entfernt. Wenn mein Schrei ihn nicht auf uns aufmerksam gemacht hat, dann hört er uns auch bestimmt nicht, wenn wir in normaler Lautstärke sprechen.«
»Du hast nicht geschrien«, wandte Shari ein.
»Nein?«, fragte Wendy. »Ich hätte schwören können, dass ich geschrien habe.«
»Nee, du bist fast lautlos an mir vorbeigeflogen«, sagte Shari. »Ich war wirklich beeindruckt. Möglicherweise hast du geflucht, aber ich habe nichts verstanden.«
»Shari?« Wendy zog sich mit dem noch funktionierenden Arm hoch und zuckte zusammen, als sie an ein paar Stellen stechenden Schmerz verspürte.
»Ja?«
»Fang jetzt endlich an mich hochzuwinden, sonst klettere ich hinauf und mach dich kalt.«
Elgars sah sich nach beiden Seiten um und trat dann vorsichtig in den Hauptkorridor hinaus. Der flackernde blaue Kobold, der sie führte, hüpfte munter vor ihr auf und ab und hielt etwa drei Meter Abstand zu ihr, als er sie zur Hydroponik führte.
Der Korridor, in dem sie sich befand, hatte riesige Dimensionen, in der Mitte verliefen Gleise und zu beiden Seiten erstreckten sich überdimensionierte Türen scheinbar ins Endlose. Und er war verlassen. Sie hatte schon immer festgestellt, dass es in den unteren Zonen der Urb weniger Leute gab, aber seit dem Eindringen der Posleen schien sich dieser Sektor völlig geleert zu haben.
Sie schob sich ihre Traglast zurecht und atmete tief durch. Bis jetzt war ihre Reise relativ ereignislos verlaufen, was nicht hieß, dass ihre Nerven nicht zum Zerreißen angespannt waren. Und das Gewicht all der Waffen und der Munition fing an ihr zuzusetzen; sie schleppte mindestens ihr eigenes Körpergewicht zusätzlich mit sich herum, wenn nicht noch mehr.
Schwerfällig trottete sie quer
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