Invasion 04 - Die Rettung
September 2014
Mueller rutschte den schlammigen Hang hinunter, ließ sich auf den Felssims vor der Höhle fallen und ging hinein, das Gewehr vor sich ausgestreckt.
Die Höhle, die das von Papa O'Neal so bezeichnete »Lager vier« enthielt, befand sich in einem fast senkrecht mit Bäumen bestandenen Abhang. Wie der ältere O'Neal es geschafft hatte, Dutzende und Aberdutzende großer und schwerer Kisten und Kartons in die Höhle zu schaffen, war ein Rätsel, das Mueller und Mosovich bei ihrer letzten Reise geflissentlich nicht hinterfragt hatten. Aber bei diesem letzten Besuch waren sie beim Verlassen der Höhle auch von einem wilden Posleen angegriffen worden, was Muellers Vorsicht beim Betreten der Höhle erklärte.
Die erste Veränderung, die er feststellte, war, dass da jetzt eine schwere Metalltür war; beim letzten Mal war das Versteck offen gewesen. Aber wahrscheinlich war das ganz gut, schließlich gingen gelegentlich hier Nukes ab.
Das Problem war nur, dass sich das, was sie brauchten, auf der anderen Seite der Tür befand und es auf dieser Seite keine erkennbaren Vorrichtungen gab, um die Tür zu öffnen.
Andererseits deutete das eigentlich darauf hin, dass sich auf der anderen Seite jemand oder etwas befand.
Er war müde, sein Gedankenfluss träge. Er hatte Provigil genommen, aber das hielt einen lediglich wach, die anderen Ermüdungserscheinungen, etwa die Verzögerung der Denkprozesse, schaltete das Präparat nicht aus. Jetzt drehte er das Gewehr herum und schlug mit dem Kolben gegen die Tür. »Jemand zu Hause?«
Cally fuhr in die Höhe, als sie den Lärm und die von der Tür gedämpfte Stimme auf der anderen Seite hörte. Es klang wie ein Mensch, aber sie konnte die Möglichkeit nicht ganz ausschließen, dass es lediglich ein sehr raffinierter Posleen war.
Sie nahm ihre Steyr und ging zu Tür. »Wer ist da?«
»Cally?«
»Yeah, wer ist da?«
»Mueller! Mach auf.«
Sie setzte die Waffe ab und zog die Tür auf, bemühte sich dabei um einen gefassten Gesichtsausdruck.
Mueller sah sie bloß einen Augenblick an und drückte sie dann mit beiden Armen an sich.
»Herrgott im Himmel! Wir waren sicher, du wärest tot.«
Cally wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln, als die anderen herunterkamen und sich durch die Tür ins Innere der Höhle schoben. Sie drückte sie nacheinander an sich.
»Wendy, du hast es geschafft!«
»Das verdanke ich meinem Glück und einigen verrücktem Zeug«, erwiderte die junge Frau und drückte zurück. »Papa?«
Cally schüttelte bloß den Kopf, wischte erneut an ihren Tränen und wunderte sich dann über den starren Ausdruck der unbekannten jungen Frau, die als Letzte durch die Tür gekommen war.
Wendy drehte sich um und sah sie an. »Shari…«
»Shari?«, fragte Cally. Die Frau im Eingang war etwa halb so alt wie die, die ihre Farm besucht und sich sofort in ihren noch älteren Großvater verliebt hatte. Aber das Gesicht… »Shari?! Du lieber Gott, Shari…«
»Ist schon gut, Liebes«, erwiderte die Frau mit versteinerter Miene leise. »Irgendwie sterben wir alle einmal.«
»Nein, es ist nicht gut!«, sagte Cally und ergriff ihre Hände. »Wir haben… wir haben gerade geredet, als die Posleen angegriffen haben. Er… wir haben uns wirklich gefreut, dass du zu uns kommen und bei uns leben willst. Ich auch. Ich… es tut mir so schrecklich Leid!«
»Ich denke, eigentlich sollte ich dich trösten«, sagte Shari und fing zu weinen an. »Nicht umgekehrt.«
»Wir müssen die Kinder schlafen legen«, sagte Elgars ausdruckslos. »Darüber können wir dann später reden.«
Cally zeigte ihnen Kartons mit Decken und Ponchos und schaltete dann ein elektrisches Heizgerät ein; für sie war die Höhle durchaus erträglich gewesen, aber die Kinder waren erschöpft und froren. Alle Kinder, auch Billy, schliefen, gleich nachdem sie sich hingelegt hatten, ein, nachdem man sie vorher in trockene Kleidung gesteckt hatte.
»Wie sind Sie hierher gekommen?«, wollte Cally wissen.
»Zu Fuß«, erklärte Mueller und zog sich stöhnend die Stiefel aus. »Die Kinder waren die letzten fünf Meilen so gut wie tot; wir mussten sie tragen.«
»Es gibt eine Menge zu erzählen«, erklärte Wendy. »Aber zuerst einmal – wie bist du denn hierher gekommen? Weißt du eigentlich, was dort draußen los ist?«
»Als der Angriff echt schlimm wurde, sind wir in den Bunker gegangen«, erwiderte Cally mit schleppender Stimme; es fiel ihr offensichtlich schwer, das Erlebte zu erzählen.
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