Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
Vom Netzwerk:
– jedenfalls nicht uns gegenüber –, in der Annahme, wir würden ihn deshalb noch mehr fürchten. Auomst war eigentlich der unangenehmere der beiden, aber nach allgemeiner Einschätzung nur deshalb, weil ihm jegliche Phantasie abging.
    Ihre Geschichte lautete so: Sie waren draußen im Wald gewesen, in einiger Entfernung vom Palast, an einem besonders warmen Abend etwa um die Zeit der Dämmerung. Sie befanden sich auf dem Rückweg nach Yvenir, einiges erlegte Wild in den Taschen, glücklich über ihre Beute und voller Vorfreude auf das Abendessen. Sie trafen auf einen Königsxul, in jedem Fall ein sehr seltenes Tier, aber dieses, so schworen beide, war von reinstem Weiß. Es bewegte sich durch den Wald wie ein flinker, blasser Geist, und sie, die die Taschen fallenließen und ihre Bogen in Bereitschaft brachten, verfolgten es, so leise sie konnten.
    Keiner der beiden konnte wirklich damit gerechnet haben, daß sie es schaffen würden, wenn sie in der Stellung wären, das Tier zur Strecke zu bringen. Sie hätten niemandem erzählen können, daß sie das Tier getötet hätten, denn die Jagd auf den Xul ist ein königliches Vorrecht, und die Größe des Tieres hätte verhindert, daß sie es zu einem unehrlichen Metzger hätten schleppen können, vorausgesetzt, sie hätten einen gefunden, der mutig genug gewesen wäre, das Risiko der königlichen Vergeltung auf sich zu nehmen. Dennoch gingen sie ihm weiterhin nach, vorangetrieben von einem bestimmten Jagdinstinkt, der uns vielleicht angezüchtet ist.
    Sie fingen den Xul nicht. Er zuckte plötzlich herum, als er sich einem kleinen, von Bäumen umstandenen See hoch oben in den Bergen näherte, und im Laufschritt davonpreschte und sich innerhalb weniger Herzschläge außerhalb jeder hoffnungsträchtiger Bogenschußweite entfernte.
    Die beiden Pagen, die gerade rechtzeitig den Grat eines kleinen Hügelkammes erreichten, um das Geschehen durch eine Wand von kleinen Büschen zu beobachten, waren zutiefst enttäuscht darüber, das Tier verloren zu haben. Die Enttäuschung wurde jedoch beinahe augenblicklich durch das gelindert, was sie als nächstes sahen.
    Eine berauschend schöne und vollkommen nackte Frau watete aus dem See und blickte in die Richtung, in die der weiße Xul geflohen war.
    Hier lag also der Grund dafür, daß sich das Tier mit einer solchen Schnelligkeit entfernt hatte, und hier war vielleicht auch etwas, das vielmehr dazu angetan war, gejagt und genossen zu werden. Die Frau war groß und dunkelhaarig. Ihre Beine waren lang, ihr Bauch war ein wenig zu flach, um wirklich schön zu sein, doch ihre Brüste, obwohl nicht besonders groß, sahen fest und hoch aus. Weder Auomst noch Puomiel erkannten sie zunächst. Aber es war die Ärztin. Sie wandte sich von der Stelle ab, an der der Xul in die Bäume davongeprescht war, und stieg wieder ins Wasser, um mit der Leichtigkeit eines Fisches direkt auf die beiden jungen Männer zuzuschwimmen.
    Sie stieg direkt unter der Stelle, wo sie lagen, ans Ufer. Dort hatte sie nämlich, so stellten sie jetzt fest, ihre Kleider liegenlassen. Sie watete aus dem Wasser und machte sich daran, sich mit den Händen abzutrocknen, mit dem Gesicht in Richtung Wasser, den Rücken den beiden zugekehrt.
    Die beiden sahen sich an. Sie brauchten keine Worte zu wechseln. Da war eine Frau, ganz allein. Sie hatte keine Begleitung, keine Gesellschaft, und sie stand, soweit die beiden wußten, auch nicht unter dem Schutz eines Ehemanns oder eines Kämpen bei Hof. Wieder besann sich keiner der beiden darauf, daß sie in Wirklichkeit sehr wohl einen Kämpen bei Hof hatte, und zwar einen, der ohne einen gleichen oder besseren war. Dieser blasse Körper, der sich ihnen so enthüllt darbot, erregte sie noch mehr als der, den sie soeben aus der Sicht verloren hatten, und ein Instinkt, der noch tiefer saß als der des Jagens, durchflutete ihre Herzen, ergriff ganz von ihnen Besitz und löschte jedes vernünftige Denken aus.
    Es war dunkel unter den umstehenden Bäumen, und ringsum zwitscherten die Vögel, aufgeschreckt durch die Flucht des Xul, und machten deshalb genügend Krach, um selbst ein tolpatschiges Anschleichen zu übertönen.
    Sie könnten sie niederschlagen oder sie überraschen und ihr die Augen verbinden.
    Mit anderen Worten, vielleicht würde sie sie nicht einmal sehen, und sie könnten sie vergewaltigen, ohne Gefahr zu laufen, entdeckt und bestraft zu werden. Daß sie der Xul ausgerechnet an diese Stelle gelockt hatte, erschien ihnen wie

Weitere Kostenlose Bücher