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Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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vergehen.«
    »Wirklich?«
    »Natürlich.«
    »Werde ich wieder in der Lage sein, etwas zu sehen?«
    »Natürlich werdet Ihr das. Habt keine Furcht.«
    »Aber ich fürchte mich.«
    »Euer Onkel hat an Euren Vater geschrieben und ihm von Eurem Zustand berichtet. Ich denke, er wird bald nach Hause kommen, genauer gesagt, ich bin davon überzeugt. Er wird Euch etwas von seiner Kraft geben. Er wird alle Angst vertreiben. Ihr werdet schon sehen.«
    »O nein! Er sollte doch im Krieg sein! Ich hole ihn nach Hause, während er doch am Kampfgeschehen teilhaben sollte, um den Sieg für uns zu erringen.«
    »Beruhigt Euch, beruhigt Euch! Wir konnten Eure Krankheit nicht vor ihm geheimhalten. Was hätte er sonst von uns gedacht? Er wird sich selbst davon überzeugen wollen, daß Ihr auf dem Weg der Besserung seid. Er wird Euch sehen wollen. Ich könnte mir vorstellen, daß er auch Doktor BreDelle mitbringt.«
    »Und Herrn DeWar?«
    »Und Herrn DeWar. Wohin Euer Vater auch immer gehen mag, er folgt ihm.«
    »Ich kann mich nicht erinnern, was geschehen ist. Welchen Tag haben wir?«
    »Es ist der Dritte des alten Mondes.«
    »Was ist geschehen? Habe ich wieder angefangen zu zittern, wie damals bei der Vorführung der Schattenspieler?«
    »Ja. Euer Lehrer sagte, er habe geglaubt, Ihr wolltet Euch vor dem Mathematikunterricht drücken, als Ihr aus der Schulbank gefallen seid. Er rannte los, um das Kindermädchen zu holen, und dann schickte man nach Doktor AeSimil. Er ist der Leibarzt Eures Onkels RuLeuin und Generals YetAmidous, und er ist sehr fähig. Beinahe so fähig wie Doktor BreDelle. Er sagt, Ihr werdet wieder gesund, es braucht nur seine Zeit.«
    »Hat er das wirklich gesagt?«
    »Das hat er gesagt. Und er macht mir den Eindruck einer ehrlichen und vertrauenswürdigen Person.«
    »Ist er besser als Doktor BreDelle?«
    »Oh, Doktor BreDelle muß wohl besser sein, denn er ist der Arzt Eures Vaters, und Euer Vater verdient es, den besten aller Ärzte zu haben, zu unser aller Wohl.«
    »Glaubt Ihr wirklich, daß er zurückkommen wird?«
    »Dessen bin ich sicher.«
    »Erzählt Ihr mir eine Geschichte?«
    »Eine Geschichte? Ich weiß nicht so recht, ob ich welche kenne.«
    »Aber jeder kennt doch Geschichten. Hat man Euch denn keine Geschichten erzählt, als Ihr klein wart?… Perrund?«
    »Doch. Doch, bestimmt hat man das. Ja, ich weiß eine Geschichte.«
    »Oh, gut… Perrund?«
    »Ja. Also. Laß mich überlegen. Es war einmal… es war einmal ein kleines Mädchen.«
    »Ja?«
    »Ja. Sie war ein ziemlich häßliches Kind, und ihre Eltern mochten sie nicht und kümmerten sich überhaupt nicht um sie.«
    »Wie hieß sie?«
    »Wie sie hieß? Sie hieß… sie hieß Aurora.«
    »Aurora. Das ist ein hübscher Name.«
    »Ja. Leider war sie selbst nicht besonders hübsch, wie gesagt. Sie lebte in einer Stadt, die sie haßte, mit Eltern, die sie verabscheute. Sie zwangen sie, alle möglichen Dinge zu tun, von denen sie glaubten, sie müsse sie tun, Dinge, die sie haßte, und oftmals sperrten sie sie ein. Sie ließen sie in Lumpen herumlaufen und weigerten sich, ihr Schuhe oder Haarbänder zu kaufen, und sie erlaubten ihr nicht, mit anderen Kindern zu spielen. Sie erzählten ihr nie irgendwelche Geschichten.«
    »Arme Aurora!«
    »Ja, sie war ein armes Ding, nicht wahr? Sie weinte sich fast jeden Abend in den Schlaf und betete zu den alten Göttern oder flehte die Vorsehung an, sie von diesem Unglück zu erlösen. Sie wünschte, sie hätte von ihren Eltern weglaufen können, aber weil sie sie einschlossen, konnte sie das nicht. Doch eines Tages fand in der Stadt ein Jahrmarkt statt, mit Bühnen und Zelten und Gauklern und Jongleuren und Akrobaten und Feuerschluckern und Messerwerfern und Kraftmännern und Zwergen und Stelzenläufern und all ihrem Gefolge und ihren Tieren. Aurora war hingerissen vom Jahrmarkt und wollte ihn sehen und sich von ihm glücklich machen lassen, denn sie hatte das Gefühl, da, wo sie war, überhaupt kein Leben zu haben, aber ihre Eltern versteckten sie. Sie wollten nicht, daß sie Spaß hatte, wenn sie all die wundervollen Kunststücke und Darbietungen sehen würde, und sie befürchteten, wenn die Leute sähen, daß sie eine so häßliche Tochter hatten, würden sie sich über sie lustig machen und sie vielleicht sogar dazu verführen, von zu Hause wegzulaufen, um ein Schaustück in der Kuriositätenschau zu werden.«
    »War sie wirklich so häßlich?«
    »Vielleicht nicht ganz so häßlich, aber trotzdem wollten

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