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Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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gebraucht würden, der König liege im Sterben.

 
22. Kapitel
Der Leibwächter
     
     
    Der Sohn des Protektors klammerte sich immer noch ans Leben. Die Krampfanfälle und sein mangelnder Appetit hatten Lattens so sehr geschwächt, daß er kaum noch den Kopf heben konnte, um zu trinken. An manchen Tagen hatte man den Eindruck, als würde er sich allmählich erholen, doch dann brach er wieder in sich zusammen und schien wieder an der Schwelle des Todes zu sein.
    UrLeyn war außer sich. Die Diener berichteten, daß er in seinen Gemächern herumtobte, Bettlaken zerfetzte und Wandteppiche herunterriß, Zierat und Mobiliar zerschmetterte und alte Porträts mit dem Messer aufschlitzte. Die Diener beseitigen die Spuren der Verwüstung, wenn er hinausging, um Lattens an dessen Krankenbett zu besuchen, doch bei seiner Rückkehr warf UrLeyn die Diener hinaus, und von da an ließ er niemanden mehr in seine Gemächer.
    Der Palast wirkte wie ein schrecklicher, toter Ort, die Atmosphäre war vergiftet durch die machtlose Wut und Verzweiflung im Herzen des Mannes. UrLeyn blieb während dieser Zeit in seinen Gemächern, die er nur verließ, um jeden Morgen und jeden Nachmittag seinen Sohn zu besuchen, und den Harem jeden Abend, wo er meistens bei der Dame Perrund lag, zusammengesunken in ihrem Schoß oder an ihrem Busen, während sie ihm den Kopf streichelte, bis er einschlief. Doch solcher Friede hielt nie lange an, und bald zuckte er im Schlaf und schrie auf und erwachte dann; daraufhin erhob er sich und kehrte in seine eigenen Gemächer zurück, alt und ausgemergelt aussehend und in Verzweiflung versunken.
    Der Leibwächter DeWar schlief auf einem Feldbett im Flur, der Tür zu UrLeyns Gemächern gegenüber. Während der meisten Zeit des Tages pflegte er in demselben Flur auf und ab zu gehen, in tiefer Sorge und darauf wartend, daß UrLeyn auftauchen würde, was selten geschah.
    Der Bruder des Protektors, RuLeuin, versuchte, mit UrLeyn zu sprechen. Er wartete zusammen mit DeWar geduldig im Flur, und wenn UrLeyn aus seinen Gemächern trat und eilends in Richtung der Räume seines Sohnes schritt, gesellte sich RuLeuin mit DeWar an UrLeyns Seite und versuchte, mit seinem Bruder zu reden, doch UrLeyn schenkte ihm keine Beachtung und wies DeWar an, weder RuLeuin noch sonst irgend jemanden in seine Nähe kommen zu lassen, bis er es befehlen würde. YetAmidous, ZeSpiole und sogar Doktor BreDelle wurde dies durch den Leibwächter mitgeteilt.
    YetAmidous wollte nicht glauben, was ihm gesagt wurde. Er dachte, DeWar versuche, sie alle von dem General fernzuhalten.
    Auch er wartete eines Tages im Flur und trotzte allen energischen Versuchen DeWars, ihn zum Weggehen zu bewegen. Als sich die Tür zu UrLeyns Gemächern öffnete, stürzte YetAmidous an DeWars ausgebreiteten Armen vorbei, auf den Protektor zu, und sagte: »General! Ich muß mit Euch reden.«
    Doch UrLeyn sah ihn einfach nur von der Tür her an und schloß dann diese dann von innen, bevor YetAmidous dort ankam; dieser blieb vor Wut schäumend an der Schwelle zurück. Schließlich machte er kehrt und stakste davon, ohne DeWar eines Blickes zu würdigen.
    »Möchtet Ihr wirklich niemanden sehen, Herr?« fragte DeWar ihn eines Tages, als sie zu Lattens’ Zimmer gingen.
    Er dachte, UrLeyn würde nicht antworten, doch dann sagte er: »Nein.«
    »Sie müssen mit Euch über den Krieg sprechen, Herr.«
    »Müssen sie das?«
    »Ja.«
    »Wie läuft der Krieg?«
    »Nicht gut, Herr.«
    »Gut oder nicht gut, was macht das schon aus! Sagt ihnen, sie sollen tun, was getan werden muß. Ich habe keine Lust mehr, mich damit zu befassen.«
    »Bei allem Respekt, Herr…«
    »Euer Respekt mir gegenüber, DeWar, wird sich in Zukunft dadurch äußern, daß Ihr nur dann sprecht, wenn Ihr angesprochen werdet.«
    »Herr…«
    »Herr!« fauchte UrLeyn, wirbelte zu dem jüngeren Mann herum und zwang ihn zurückzuweichen, bis er mit dem Rücken an der Wand stand. »Ihr werdet schweigen, bis ich Euch auffordere zu sprechen, anderenfalls lasse ich Euch aus diesem Gebäude entfernen. Habt Ihr verstanden? Ihr dürft mit ja oder nein antworten.«
    »Ja, Herr.«
    »Sehr gut. Ihr seid mein Leibwächter. Ihr mögt meinen Leib bewachen. Mehr nicht.«
    Der Krieg verlief in der Tat schlecht. Es war im Palast allgemein bekannt, daß keine weiteren Städte mehr eingenommen worden waren und daß sogar eine von den Streitkräften der Barone zurückerobert worden war. Wenn die Botschaft, wonach der Versuch unternommen

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