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Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Pflicht wäre. Er kann nicht mehr lange so weitermachen, ohne daß die Mitglieder des Kriegskabinetts zu der Ansicht gelangen, sie wären ohne ihn vielleicht besser dran.« Er sah in Perrunds große Augen. »Ich kann nicht mit ihm reden«, sagte er. Sie fand, er hörte sich wie ein verletzter kleiner Junge an. »Er hat es mir ausdrücklich verboten. Wenn ich glaubte, ich könnte ihm etwas sagen, dann würde ich es tun, aber er hat gedroht, daß ich, wenn ich ohne seine ausdrückliche Erlaubnis das Wort an ihn richte, aus meinem Amt geworfen werde, und ich muß ihm wohl glauben. Wenn ich also weiterhin versuchen will, ihn zu beschützen, dann muß ich schweigen. Dennoch muß man ihn darüber unterrichten, welchen Verlauf die Dinge genommen haben. Wenn YetAmidous und RuLeuin heute nachmittag keinen Erfolg haben…«
    »Könnte ich Erfolg haben, heute nacht?« fragte Perrund mit scharfer Stimme.
    DeWar senkte für einen Moment den Blick, dann sah er ihr wieder in die Augen. »Es tut mir leid, daß ich Euch fragen muß, Perrund. Ich kann nur bitten. Ich würde niemals auf den Gedanken kommen, das zu tun, wenn die Lage nicht wirklich verzweifelt wäre. Aber sie ist verzweifelt.«
    »Er hat vielleicht keine Lust, auf eine verkrüppelte Konkubine zu hören, DeWar.«
    »Im Augenblick, Perrund, gibt es niemand anderen. Würdet Ihr wohl den Versuch unternehmen?«
    »Natürlich. Was soll ich sagen?«
    »Was ich Euch gesagt habe. Daß der Krieg so gut wie verloren ist. Ralboute und Simalg ziehen sich zurück, wir können nur hoffen, daß der Rückzug geordnet vonstatten geht, aber alle Hinweise deuten darauf hin, daß es anders ist. Sagt ihm, daß das Kriegskabinett mit sich selbst uneins ist, daß seine Mitglieder sich nicht entscheiden können, was getan werden soll, und das einzige, worauf sie sich vielleicht irgendwann verständigen, ist der Umstand, daß ein Anführer, der nicht anführt, mehr als wertlos ist. Er muß ihr Vertrauen und ihre Achtung wiedererlangen, bevor es zu spät ist. Die Stadt, das ganze Land wendet sich allmählich gegen ihn. Es herrschen Unzufriedenheit und aufrührerisches Gerede über Vorboten einer Katastrophe und der Anfang einer gefährlichen nostalgischen Sehnsucht nach dem, was die Leute ›die guten alten Zeiten‹ nennen. Erzählt ihm soviel von alledem, wie er ertragen kann, oder soviel, wie ihr wagt, aber seid auf der Hut. Er hat schon öfter die Hand gegen seine Dienerschaft erhoben, und ich werde nicht da sein, um Euch vor ihm zu schützen, oder ihn vor sich selbst.«
    Perrund sah ihn ruhig an. »Das ist eine schwere Pflicht, DeWar.«
    »Gewiß. Und es tut mir leid, daß ich Euch damit belasten muß, aber die Dinge sind an einem kritischen Punkt angekommen. Wenn es überhaupt irgend etwas gibt, mit dem ich Euch in dieser Situation helfen kann, dann braucht Ihr es mir nur zu sagen, und ich werde es tun, falls es irgendwie möglich ist.«
    Perrund holte tief Luft. Sie blickte auf das Spielbrett. Mit einem flatternden Lächeln schwenkte sie die Hand über die Figuren zwischen ihnen und sagte: »Nun, Ihr seid am Zug.«
    Sein kleines, trauriges Lächeln entsprach dem ihren.

 
23. Kapitel
Die Ärztin
     
     
    Die Ärztin und ich standen an der Hafenmauer. Um uns herum herrschte das übliche emsige Treiben der Docks, und zusätzlich dazu das lokale Durcheinander, das normalerweise entsteht, wenn ein großes Schiff das Auslaufen zu einer langen Fahrt vorbereitet. Die Galeone Pflug der Meere sollte mit der nächsten Doppelflut in weniger als einer halben Stunde auslaufen, und die letzten Vorräte wurden hochgehievt und an Bord verstaut, während überall um uns herum, zwischen den aufgewickelten Seilen, den Teerfässern, den aufgestapelten Rollen von Fendern aus Weidengeflecht und bis auf den Boden geleerten Karren, sich tränenreiche Abschiedsszenen abspielten. Unsere war natürlich eine davon.
    »Herrin, könnt Ihr denn nicht bleiben? Bitte!« flehte ich sie an. Ihre Augen hatten einen gebrochenen, entrückten Ausdruck an sich, wie Eis oder zerbrochenes Glas, erspäht in den dunklen Nischen eines fernen Raums. Sie hatte sich den Hut tief über den geschorenen Schädel gezogen. Ich hatte sie noch nie so schön gefunden. Der Tag war ein wenig stürmisch, der Wind war warm, und die beiden Sonnen schienen zu beiden Seiten am Himmel herab, aus fast entgegengesetzten Richtungen. Ich war Seigen zu ihrem Xamis, das verzweifelte Licht meines Verlangens, daß sie bleiben möge, vollkommen ausgewaschen

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