Irgendwann Holt Es Dich Ein
ist gut im Recherchieren, und er soll für mich rausfinden, welches Schwein Hattie das hier geschickt hat.«
Sie beugte sich zur obersten Schublade der Frisierkommode und nahm ein kleines Päckchen heraus, das sie Kate reichte.
Es handelte sich um einen wattierten Umschlag, einen ganz gewöhnlichen wattierten Umschlag mit einem gedruckten Etikett, adressiert an Hattie unter der Adresse ihrer Mutter. Kate griff hinein. Da war ein kleiner Gegenstand, in Luftpolsterfolie verpackt, die Polsterblasen nach innen gerichtet. Als sie mit den Fingern darüberstrich, bemerkte Kate, wie seltsam sich diese Luftpolsterfolie von der Unterseite anfühlte. Vorsichtig wickelte sie die Folie auf. Der umwickelte Gegenstand war eine kleine Brandy-Flasche, die Art, wie sie in Flugzeugen verkauft wurden.
»Fast jeden Tag kam eine von denen«, erzählte Hatties Mutter. »Flaschen über Flaschen - Brandy, Wodka, Whisky, alles. Und sie haben sie zum Alkohol zurückgetrieben. Die hier kam am Tag, nachdem sie gestorben ist. Danach sind keine mehr gekommen.« Ihre Augen funkelten zornig. »Das war das Grausamste, was jemand ihr antun konnte. Kannst du dir das vorstellen? Sie hat so hart gekämpft, um ihre Probleme in den Griff zu bekommen, und dann das. Diese Person, dieser bösartige, hämische Mensch, hat sie gepeinigt, bis sie wieder zu trinken anfing. Wer das auch ist, derjenige ist für ihren Tod verantwortlich.«
»Glauben Sie wirklich?« Kate setzte sich aufs Bett und legte das Päckchen neben sich.
»Ich weiß es.« Rosemary blieb stehen, elegant und kerzengerade inmitten des unordentlichen Zimmers. »Niemals hätte sie sich umgebracht, wäre das nicht gewesen. Hattie wollte sich nicht das Leben nehmen. Sie wollte nicht sterben. Sie hat so gekämpft, um sich vom Alkohol fernzuhalten. Meine arme, wunderschöne Tochter hat wirklich versucht, nüchtern zu bleiben, und dann kommt jemand, der es spaßig findet, sie zurück an die Flasche zu treiben.«
»Hat sie sich an die Polizei gewandt?« Kate machte sich Sorgen. Sie wollte nicht, dass Neil und sie in irgendeinen kranken Rachefeldzug hineingezogen wurden. Falls Hattie von jemandem verfolgt worden war, der ihr diese anonymen Päckchen geschickt hatte, war das eine Angelegenheit für die Behörden und sollte richtig untersucht werden.
»Nein, sie hat sich geweigert, es irgendwem zu erzählen. Sie wollte keine Schwäche zeigen. Und sie hat befürchtet, dass die Zeitungen voll davon wären, wenn das erst mal bekannt wäre.«
»Aber jetzt ... Ihr Tod wird untersucht. Sicher war die Polizei schon bei Ihnen und hat sich nach Hatties Verfassung erkundigt. Und es wird noch eine Anhörung geben. Sie sollten es jemandem sagen. Jemand Offiziellem, meine ich.«
Rosemary schüttelte energisch den Kopf. »Nein, du kannst dir doch vorstellen, was sie dann sagen werden. Sie werden behaupten, dass es harmlose Geschenke von einem Fan waren. Ich habe doch an der Art, wie sie mit mir geredet haben, gemerkt, dass sie sich längst ihr Bild von Hattie zurechtgelegt haben. Für die war sie bloß eine Schauspielerin, ein bisschen unkonventionell eben, und das ist für sie gleichbedeutend mit verrückt, labil, überspannt. Ich hab's an ihren Blicken erkannt: diese Verachtung, die Missachtung gegenüber uns allen, die wir für unsere Kunst leben, die wir unsere Gefühle zu sehr zeigen. Die wollen gar nichts näher untersuchen.«
Kate schluckte. Es fiel ihr schwer zu beurteilen, ob Rosemary in ihrer Art lächerlich war oder Würde ausstrahlte. Und auf einmal hatte sie genug von diesem Besuch. Sie wollte nicht länger in diesem Haus sein. Es war ein milder Tag, das Zimmer warm, und Kate wollte weg von den vielen vertrauten Gerüchen, den erdrückenden Erinnerungen an ihre frühere Freundin. Ihr wurde schwindlig, sodass sie den Kopf zwischen die Knie senken musste. Da entdeckte sie unter Hatties Bett ein Paar Satinsandalen, an die sie sich noch besonders gut erinnern konnte. Sie hatten hohe Holzabsätze und waren aus austernfarbenem Satin. Es war das einzige Modell von Hattie gewesen, das Kate ebenfalls hatte, und sie hatte es oft getragen, wenn sie abends zusammen ausgegangen waren. Kate griff unters Bett, holte die Sandalen hervor und ließ sie an den Fersenriemen vom Finger baumeln. Prompt holten die Bilder sie wieder ein. Hattie und sie, gemeinsam unterwegs. Sie amüsierten sich und tranken zu viel. Hattie war in Kates Leben ein wichtiger Mensch gewesen. Vielleicht war sie es ihr schuldig, zu ergründen,
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