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Irgendwann Holt Es Dich Ein

Irgendwann Holt Es Dich Ein

Titel: Irgendwann Holt Es Dich Ein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Hill
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das mit der Kündigung noch mal überlegen.«
    Neil bemerkte, dass Richard unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her rutschte. Auch wenn Kate schwor, dass Richard ein anständiger Kerl war, blieb er für Neil der klassische mittlere Manager, ein schwacher, verschlagener Knecht der Chefetage - auch wenn er gewisse menschliche Züge zeigte. Trotzdem blieb Neil so sachlich wie möglich. »Kate hat ein besonders boshaftes Wichtelgeschenk zu Weihnachten bekommen, das auf ihre Fehlgeburten anspielt. Ich muss wissen, wer ihren Namen gezogen hat oder wer Zugang zu dem Weihnachtsbaum in der Rezeption hatte.« Laut ausgesprochen klang sein Vorhaben reichlich blöd, fand Neil.
     
    Wie sich herausstellte, war Kates offizieller Weihnachtswichtel ein nicht besonders heller Knabe namens Chris gewesen, der bei Warm FM als Journalist fungierte. Den berühmten Fernsehreporter Neil Callan zu treffen schien bei ihm Ehrfurcht zu erzeugen, denn er zitterte sichtbar, als Richard ihn in sein Büro rief.
    »Ich war total nervös, als ich Kates Namen aus dem Hut zog. Mochte sie ihr Geschenk nicht?«
    Die Frage war so absurd, dass Neil fast gelacht hätte. Offenbar hatte jemand die Geschenke vertauscht, was dieser junge Bursche natürlich nicht wissen konnte. »Was haben Sie ihr denn gekauft?«
    »Naja, ich hatte meine Mum um Rat gefragt, weil sie ungefähr im selben Alter ist, und sie meinte, ich soll was bei Body Shop kaufen. Da habe ich eins von diesen Geschenkpaketen genommen ... Wissen Sie, die mit den kleinen Flaschen, Schaumbad und so. O Gott«, stöhnte er, als er Neils strenge Miene sah. »Stimmte damit was nicht?«
     
    Beim Sender erfuhr Neil nichts, was ihm weiterhalf. Kates Freundin Anna war in Tränen aufgelöst, als er mit ihr redete. »Ich fasse nicht, dass Richard sie rausgeschmissen hat«, schluchzte sie. »Sie war eine von den wenigen guten Leuten hier. Die sind doch bekloppt, ausgerechnet sie rauszuwerfen!«
    Über das Geschenk wusste sie allerdings nichts. Und sie beteuerte, dass sie mit niemandem über Kates Fehlgeburten gesprochen hatte. »Schließlich hatte sie mir das im Vertrauen erzählt. So was tratsch ich doch nicht rum! Ach, du Schreck«, sagte sie dann, als fiele ihr gerade etwas ein. »Arme Kate! Deshalb war sie wegen der Werbegeschenke so aufgelöst, wegen dem ganzen Babykram, meine ich. Daran hatte ich überhaupt nicht mehr gedacht. Gott, wie unsensibel, so was Leuten zu schicken, wenn man nicht genau weiß, ob sie Kinder haben.«
    Die Empfangssekretärin war auch keine Hilfe. »Die Leute legen ihre Geschenke unter den Baum. Ich weiß nicht, wer da wann was hinpackt. Schließlich beobachte ich die ja nicht den ganzen Tag, oder?«
    »Wie sieht es mit Besuchern aus? Ist die Eingangstür offen oder verschlossen? Müssen Sie jeden per Knopfdruck reinlassen?«
    »Tja, ja, theoretisch schon. Aber oft lassen wir sie auch einfach offen. Ich meine, ich bin ja hier, also kann keiner einfach reinmarschieren, ohne mir zu sagen, zu wem er will. Es sei denn, ich bin gerade auf dem Klo oder so. Und warum sollte ein Besucher ein Wichtelgeschenk für Kate bringen? Das ergibt doch gar keinen Sinn.«
     
    Neil fühlte sich elend, weil er nichts von Kate hörte. In der scheußlichen kleinen Wohnung schien jede Bewegung ein Echo zu erzeugen, und beim Telefonklingeln zuckte Neil zusammen. Er saß mit einem Curry vom indischen Imbiss auf dem IKEA-Sofa und schaltete sich durch die Fernsehkanäle auf der Suche nach Ablenkung von der Sorge um seine Frau. Tagsüber war es okay gewesen, denn dann war er beschäftigt; er ermittelte, stellte Fragen und sammelte Fakten. Aber jetzt fühlte er sich einsamer denn je. Er versuchte es noch mal auf Kates Handy. Immer noch keine Antwort. Also schrieb er ihr eine SMS, nur eine kurze Nachricht, um ihr zu sagen, dass er sie liebe. Verdammt, seine Frau fehlte ihm. Sie fehlte ihm so sehr!
    Anna weinte, als sie anrief. Es war spät, schon gegen Mitternacht. Neil räumte gerade die Reste seines Currys weg und überlegte, ins Bett zu gehen. Beim Klingeln rannte er zu seinem Handy und hoffte, dass es Kate war - wie immer, wenn es zu einer ungewöhnlichen Zeit läutete. Doch die Nummer auf dem Display kannte er nicht.
    »Ich habe über Ihre Fragen heute noch mal nachgedacht«, sagte Anna. »Darüber, ob ich jemals irgendwem etwas von Kates Fehlgeburten erzählt habe. Und ich glaube nun, ich habe mal so eine Andeutung gemacht. Ich wollte es eigentlich gar nicht, ehrlich nicht, und es war bestimmt ein Fehler.

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