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Irgendwann ist Schluss

Irgendwann ist Schluss

Titel: Irgendwann ist Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Orths
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einsamer Wald, immer dieselbe Strecke, sie musste etwas für ihre Figur tun. Zwei Wochen brauchte ich für das Beschatten meines Opfers, einen Tag für das Ausarbeiten des Plans, drei Tage für die Suche nach den Tätern, und dann ging es los: Zwei bullige Männer sprangen aus dem Gebüsch, Barbate wurde gepackt, niemand sonst war in Sicht in diesem einsamen Wald, und wer hätte gedacht, dass sich dort Triebtäter versteckten und sich mit aller Brutalität an ihr zu schaffen machten, aber sie kamen nicht weit, denn zufällig kreuzte ein Ritter auf, ohne Pferd zwar, aber mit unbändigen Kräften, er fuhr zwischen die Schläger, entwand einem von ihnen das Messer, schlug den anderen nieder, und tatsächlich siegte der Held, als den ich mich selbst kreiert hatte, die Schläger gaben Fersengeld, das ich ihnen vorher schon in die Hände gedrückt hatte, fünfhundert Euro pro Nase, um genau zu sein. Ich stand nun da, wie man nicht besser dastehen kann. Ein Retter. Ein Prinz. Blut troff mir aus dem Mund, ein Filmrequisit, groß wie eine Mozartkugel, ich hatte es in der Backentasche gehabt, im Kampf zerbissen, und jetzt keuchte ich scheinbar angeschlagen, hielt mir die scheinbar gebrochenen Rippen, verzog scheinbar vor Schmerz das Gesicht, und Barbate zitterte. Die Vorstellung, man hätte sie in den Wald zerren, ihr die Joggingsachen vom Leib reißen, sie auf den Kiefernadelboden drücken können, all das hatte ihr das wenige Blut genommen, das durch ihre Wangen floss. Anämisch, dachte ich. Barbate beruhigte sich langsam. Sie atmete und lehnte sich an mich. Wunderbar, sie zu spüren. Sofort war alles wieder da: Der Kuss am See, mit fünfzehn, das erste Mal, die Zeit, die wir miteinander verbrachten, aber auch der Abschied, die Trennung, die Wortlosigkeit, die sich zwischen uns geschoben hatte, und ich spürte in diesem Augenblick, als wir dort im Wald hockten, wie sehr sie mich damals verletzt hatte, und dass die Wunde, die sie mir zugefügt hatte, noch nicht verheilt war, dass darüber noch zu sprechen wäre, irgendwann, wenn wir wieder zusammenkämen, in naher Zukunft, denn dass wir wieder zusammenkämen, war so gut wie sicher für mich. »Alles in Ordnung?«, fragte ich, falsches Blut spuckend. Barbate nickte. Wir gingen gemeinsam zurück in ihr Haus. Erst dort weinte sie. Das tat mir leid. Vielleicht hätte etwas weniger Realismus der Inszenierung gut getan, dachte ich. Wir verbrachten den ganzen Tag miteinander. Sie dankte mir unaufhörlich. Und ich wunderte mich, wie viel sie redete. So gar nicht die schweigende Barbate, die mich verlassen hatte. Sie lud mich zum Essen ein, schon für den nächsten Tag, sie sagte, das sei das Mindeste, was sie tun könne für ihren Retter, und ich willigte ein. Schon am nächsten Tag, auf dem Weg zum Hotel, als ich sie nach Mittagessen und Kaffee noch zu ihrer Arbeit begleitete, hakte sie sich unter, und mich überkam ein Glücksgefühl, wie ich es lange nicht gekannt hatte. Ich vergaß meine gesamte Vorsicht, und als sie mir zum Abschied einen Kuss auf die Wange geben wollte, drehte ich rasch meinen Kopf und fing ihren Kuss mit den Lippen, ich hatte den Trick schon einmal meinem Soap-Lenny zugeschrieben, ich sah in Barbates überraschtes Gesicht, aber sie lächelte, dann drehte ich mich um und lief fort, überwältigt von dem, was nun beginnen würde. Wir kamen rasch zusammen. Ich hatte genügend romantisches Material, um sie zu verführen, ich nahm Lichter und baute sie in ihrem Garten auf, in Herzform, ein Kerzenweg führte dorthin, in der Mitte der Lichter stand ein Teleskop, das, wenn man hindurchschaute, einem den Mond nahebrachte. Wir küssten uns in diesem Kerzenherz, natürlich hätte ich schon zu diesem Zeitpunkt mit ihr schlafen können, tat es aber nicht, sagte ihr vielmehr, ich wolle es langsam angehen lassen, das hier sei etwas Besonderes für mich, und natürlich war es genau das, was Barbate hören wollte.
    Doch auch nachdem wir die ersten Wochen der frisch Verliebten hinter uns gebracht und das getan hatten, was alle tun, weil sie es in den Serien sehen, die wir verfassen, hatte Barbate mich nicht erkannt. Das war mir klar, denn ein sudden savant , der wieder zurückfindet ins Leben, hatte ich gelesen, erleidet oft eine schwere Amnesie und vergisst das, was in seinem Leben vorher geschehen war. Ich wollte ihr dabei helfen, das Verschüttete wieder auszugraben. Ich wollte, dass sie mich wiedererkannte. Und so fragte ich sie all das, was man den anderen fragen darf,

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