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Irgendwann ist Schluss

Irgendwann ist Schluss

Titel: Irgendwann ist Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Orths
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Beobachtetwerdens würde ich mich gewöhnen müssen. Das Meer lag da wie ausgestorben. Ich setzte mich, grub die Hände in den Sand und schloss die Augen. Irgendwann rappelte ich mich auf und ging zurück ins Anwesen. Hinter kugelförmigen Buchsbaumpflanzen entdeckte ich eine Mülltonne, ich öffnete sie: leer, sauber, als hätte man sie gerade erst von innen geschrubbt. Ich ließ meine Armbanduhr hineinfallen. Der Mülltonnendeckel schloss sich mit demselben Geräusch, mit dem sich Mülltonnendeckel bei mir zu Hause schlossen. Nach dem Essen legte ich mich auf die Couch und starrte zur Decke. Das Licht draußen zog sich zurück. Ich ging ins Bett. Ich wachte auf, als die Sonne mir ins Auge stach, weil ich vergessen hatte, die Vorhänge zuzuziehen. Ich drehte eine Runde im größten Pool, duschte, zog mich an. Ich betätigte den Piepser. Wenige Sekunden später erschien Mike Divine, es war, als hätte er hinter der Tür gewartet. Sofort dachte ich an Kameras, mit denen man mich und mein Aufwachen beobachtet hatte. Ich blickte zur Decke, konnte aber nichts erkennen.
    Ob er mir Gesellschaft leisten wolle?, fragte ich.
    Dazu sei er nicht da.
    Wie er zu diesem Job gekommen sei?
    Er verzog das Gesicht.
    Ob man mir nicht jeden Wunsch zu erfüllen hätte?
    Wenn ich Gesellschaft wolle, sagte er, könne er mir eine solche mühelos besorgen.
    »Denken Sie dabei an Frauen?«, fragte ich.
    »Denken Sie an Frauen?«
    »Warum nicht?«
    In vier Stunden könnten sie hier sein.
    Wie viele?
    So viele ich wollte.
    Tausend?
    Meine Wünsche müssten im Rahmen des Machbaren bleiben.
    »Also gut«, sagte ich. »Drei.«
    Mike verschwand.
    Die vier Stunden verbrachte ich mit Warten. Das Mittagessen verlief störungsfrei. Die Frauen trafen ein. Sie waren aufreizend. Ich hatte nie mit drei Frauen zugleich geschlafen. Sie machten Dinge mit mir, die ich nicht kannte. Anschließend war ich erschöpft. Sie lagen in meinem Bett, und ich versuchte, mit ihnen zu reden. Sie hoben nur die Hände, sprachen meine Sprache nicht, auch kein Englisch. Aus Hilflosigkeit wollten sie wieder von Neuem beginnen, aber ich scheuchte sie fort. Sie verließen das Zimmer und das Haus. Wenig später hörte ich den Flugzeugmotor und schlief ein. Als ich erwachte, war es draußen dunkel.
    Zeit verstrich. Ich zählte die Tage nicht. Die Sonne kam und ging. Frauen kamen und gingen. Bis zu dem Tag, als ich eine der Frauen, die sich unbeobachtet und mich in Ekstase wähnte, dabei überraschte, wie sie die Augen verdrehte, kurz nur, aber ich hielt sofort inne in dem, was ich tat, und warf sie raus. Ich sagte Mike, es sollten keine Frauen mehr kommen, ich hätte genug. Er nickte. Ich ging zum Strand, ich starrte aufs Meer, ich schloss die Augen, ich cremte mich ein, ich setzte den Sonnenhut auf, ich wurde braun, ich aß, es schmeckte, ich schlief, ich duschte, ich badete, ich aß, es schmeckte, ich ging spazieren, ich umkurvte die Insel, ich sah fern, ich aß, es schmeckte, ich gewöhnte mich daran.
    Bis ich Mike eine Frage stellte, die ihn verblüffte.
    »Welchen Tag haben wir heute?«, fragte ich.
    »Sie wissen es nicht?«
    »Nein.«
    »Sie haben keine Uhr mehr?«
    »Nein.«
    »Sechs Monate.«
    »Es bleiben noch acht?«
    Er nickte.
    »Haben Sie Lust auf eine Partie Billard?«, fragte ich.
    Da lächelte er. Zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, lächelte er. Kurz nur, und sofort biss er sich auf die Lippe.
    »Warum lächeln Sie?«, fragte ich.
    »Tut mir leid«, sagte er.
    »Sagen Sie es ruhig.«
    »Man sagt nicht Billard, man sagt Snooker.«
    »Können Sie das?«
    »Mittelmäßig.«
    »Erklären Sie es mir?«
    Er nickte.
    Von dem Augenblick an, da er den Snookerraum betrat, veränderte sich etwas. Ich sah es in seinen Augen.
    Man müsse es lieben, sagte Mike, ganz leise, man müsse es lieben, sonst habe man keine Chance, das Spiel zu verstehen.
    Was für ein Wort, sagte ich. Lieben. Es sei doch nur ein Spiel.
    Eben nicht, sagte Mike. Eben nicht.
    Mike nahm ein bügeleisenartiges Gerät und glättete das grüne Tuch, zog seine Krawatte und sein Jackett aus, holte Fliege und Weste aus einem Schrank, zog beides an und sagte, er müsse sich entschuldigen, er könne nicht gleichzeitig spielen und als Schiedsrichter fungieren, daher werde er darauf verzichten, die weißen Handschuhe anzuziehen, wenn er die Farbigen wieder aus dem Loch hole, und ich wusste nicht, wovon er sprach. Er baute die Kugeln auf: unten fünfzehn Rote in Dreieckform. Darunter eine einzelne Schwarze. Darüber

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