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Irgendwann ist Schluss

Irgendwann ist Schluss

Titel: Irgendwann ist Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Orths
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öffnete die Zimmertür und ließ mich herein. Er ist stets in Schwarz gekleidet, und sein gesamtes Auftreten hat etwas derart Bestimmtes und Unnachgiebiges, dass es überhaupt nicht zu einem Mittelsmann passen will. Das Gutachten des Arztes, sagte Mike, sei mehr als zufriedenstellend. Es gebe keine weiteren Hindernisse. Zu klären sei nur noch die Zeitfrage. Er könne mir ein Angebot über sieben Monate machen. Das sei lächerlich, sagte ich und faselte etwas von zwei Jahren, obwohl ich wusste, dass dies genauso lächerlich war. Wir einigten uns nach einigem Schachern auf vierzehn Monate.
    »Morgen früh«, sagte Mike und ging zur Minibar, »um acht fahren wir zum Flughafen.«
    »Fliegen Sie mit?«
    »Ich bin für die nächsten vierzehn Monate ihr Begleiter.« Mike reichte mir ein Getränk. Nach kurzer Zeit fragte er: »Sie wissen, was noch fehlt?«
    Ich zog Briefpapier aus dem Rucksack, einen Stift, setzte mich an den Schreibtisch, Mike stand schräg hinter mir, und ich schrieb den Brief.
    Nachdem ich wochenlang nur flach hatte schlafen können, fand ich endlich Ruhe in dieser Nacht. Am Morgen klingelte der Wecker, mir blieben zwanzig Minuten. Ich brauchte nichts zu packen. Das Geld, meinen gesamten Besitz, etwas mehr als fünftausend Euro, hatte ich vom Konto geräumt und in irgendeinen Briefkasten geworfen, vor zwei Tagen schon, in diesem Viertel, wo die Leute hausen wie die Ratten. Ich würde es nicht mehr brauchen. Ich zog mich an, packte drei Bücher sowie ein paar persönliche Dinge in einen Rucksack. Ich aß nichts. Mike kam pünktlich. Ich stieg in den schwarzen Mercedes, und wir fuhren los. Mike redete nicht, und ich beschloss, ebenfalls zu schweigen, so lange, bis er eine Frage stellen würde. Das tat er nicht. Die Fahrt zum Flughafen dauerte sechzig Minuten. Wir flogen erster Klasse. Die Wolken sahen genauso aus wie sonst. Die Stewardess war freundlich. Als Mike mich irgendwann wachrüttelte, befanden wir uns im Landeanflug auf Cancún. Dort stiegen wir in ein Wasserflugzeug und flogen Richtung offenes Meer. Nach zwei Stunden wasserten wir und schipperten ein Stück zur Insel, die ich vom Flugzeug schon hatte sehen können. Wir legten an einem Steg an, stiegen aus, und das Flugzeug machte sich auf den Rückweg. Am Ufer erwarteten uns drei Männer, die ebenso schwarz gekleidet waren wie Mike. Diese Männer, sagte Mike, würden sich um mein Wohlbefinden kümmern, Unterkunft, Essen, Garten, Pool.
    Wir stiegen eine Steintreppe hinauf, zweiundvierzig Stufen. Von oben konnte ich die gesamte Insel überblicken, ich sah, wie winzig sie war. Nach allen Seiten Meer, so weit das Auge reichte. Ein kurviger Weg führte zum Haus, das, wie Mike sagte, der Architekt Moritz Kranner entworfen hatte. Das Anwesen war riesig und flach: eine einzige weiträumige Erdgeschoss-Ebene. Terrasse, Terrakotta, Liegestühle, Tische, Sonnenschirme, Bar, Rasen, Palmen. Im Gebäude selbst: eine Lichtorgie, Gläserfronten, ein riesiges Wohnzimmer, das zur Seite hinaus den Blick freigab auf eine enorme Poollandschaft. Offene Küche, vier Schlafzimmer, kühl, an der Nordseite, weitere Räume, im ersten eine Theke, ein Schrank mit alkoholischen Getränken, ein in die Wand gelassenes Bücherregal, dann Sportgeräte, Wellnessraum, Sauna, Duschen, Whirlpool. Im letzten Raum, den Mike mir zeigte, stand ein gigantischer Billardtisch, verhüllt, doppelt so groß wie die Billardtische, an denen ich hin und wieder Pool gespielt hatte. An den Wänden hingen gerahmte Bilder, Fotografien von Spielern mit schwarzen Westen, Hemden und Fliegen, sie beugten sich zum Tisch hinab, mit dem Kinn auf dem Queue. Einer fiel mir auf, weil er eine riesige quadratische Brille trug. Ich blieb eine Weile länger in diesem Raum als in den anderen. Mike ließ mir Zeit. Als wir zurück ins Wohnzimmer gingen, sagte er, wann immer ich einen Wunsch hätte, solle ich ihn rufen, und er reichte mir einen Piepser. Nachdem er das Wohnzimmer verlassen hatte, nahm ich einen Aschenbecher vom Tisch und warf ihn vor eine der Fensterfronten. Er prallte ab und fiel auf den Boden. Das Glas zeigte keinen Kratzer. Die Flaschen in der Bar waren aus Plastik, man hatte die Getränke umgefüllt und selbst die Etiketten umgeklebt. Die Gläser: ebenfalls Plastik. Meine Schuhe, die ich beim Eintritt draußen hatte abstellen müssen, waren verschwunden, samt Schuhriemen. Stattdessen: Slipper und Latschen. Ich ging barfuß nach unten. Am Strand atmete ich tief ein. Ans Gefühl des

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