Irgendwas geht immer (German Edition)
der meinen hohen Ansprüchen an Stil und Qualität gerecht zu werden vermag. Das reichlich dürftige Angebot an stilbewusster Kleidung in Pangbourne gereicht mir so gar nicht zur Freude; dasselbe gilt für Wokingham und für – Gott möge verhindern, dass ich je gezwungen sein sollte, in diese Niederungen der Modekultur hinabzusteigen – Reading, eine Großstadt und die Metropole der Hölle. Auf der Suche nach den Kleidungsstücken, die eines Dandys angemessen sind, versagen diese Häfen des Bösen bedauerlicherweise kläglichst. Die Händler des vermeintlichen Dernier Cri in diesen infernalischen Orten sind so farblos und ermangeln jeglicher Individualität. Immer nur dasselbe, Uniformismus und Trostlosigkeit, so weit das Auge reicht. Nach meinem Dafürhalten sind diese hässlichen Waren, die dort feilgeboten werden, eine regelrechte Krankheit, ein Ausbund des unterirdisch schlechten Geschmacks, eine Malaise geradezu pandemischen Ausmaßes, die sich wie ein Buschfeuer über unser wunderschönes, reiches Land auszubreiten scheint.
Erst vergangene Woche habe ich versucht, eine Krawatte zu erwerben. Nun, ich hätte ebenso gut versuchen können, mir die Seele des Dalai-Lama unter den Nagel zu reißen. Obwohl das Geschäft, das ich aufgesucht habe, den Ruf eines renommierten Herrenausstatters genießt. Man sollte annehmen, dass das Stück, das ich zu erstehen gedachte, nicht allzu schwer zu finden sein sollte. Doch leider musste ich mich mit diesen Gehilfen Satans herumschlagen, die in diesem Etablissement ihrer Tätigkeit als Verkäufer nachgehen. Diese niederen Kreaturen besaßen doch tatsächlich die Unverfrorenheit, eine Kostprobe ihrer himmelschreiend schlechten Manieren zu geben und meine Bitte mit ununterbrochenem Gekicher, Geflüster und übelsten Beleidigungen zu quittieren. Nun, Geflüster kann man das wohl nicht nennen. Nicht einmal dazu waren diese Kretins in der Lage. Nur selten zuvor habe ich einen derart eklatanten Mangel an Intelligenz, gepaart mit monumentaler Inkompetenz, erlebt. Erbärmliches Gesindel und üble Halunken.
Ich weigere mich schlichtweg, so zu tun, als stelle meine Leidenschaft für kecken Halsschmuck eine Art dunkles Geheimnis dar, dessen ich mich schämen müsste. Und ich werde mir unter keinen Umständen mein persönliches Gespür für Ästhetik von einer Handvoll geistloser Kreaturen vorschreiben lassen. Vielmehr ist die Bedeutung stilvoller Kleidung als Ausdruck guten Geschmacks nicht von der Hand zu weisen. Dieser Zusammenhang ist so offenkundig wie die Tatsache, dass die Erfindung dieser weitverbreiteten Geschmacklosigkeit namens »Kapuzenshirt« große Teile der Landschaft unserer modischen Kultur gewaltsam zerstört hat. Doch ich will dieses Thema nicht übergebührlich strapazieren, da ich fürchte, sonst an meiner eigenen Galle zu ersticken. Nur so viel: Ich sagte adieu und verließ den Laden, ohne die Herren eines weiteren Blickes zu würdigen. Dieser Ausstatter wird definitiv nicht in den Genuss eines Teils meines nicht unbeträchtlichen Vermögens kommen. Seit dem heiligen Weihnachtsfest befinde ich mich nämlich im Besitz von stattlichen vierzig englischen Pfund. Mein Abgang signalisierte das jähe Ende einer Beziehung, die sich möglicherweise als für uns beide lohnenswert entpuppt hätte, doch Je ne regrette rien – nein, ich bereue nichts.
Meine Suche nach einem angemessenen Schneidermeister und Herrenausstatter geht unterdessen weiter. Ich habe dem Vater vorsichtig den Vorschlag unterbreitet, er möge mich vielleicht bei meiner Suche begleiten, die mich nach London führen könnte, um mein Anliegen weiter voranzutreiben. Der Schlagabtausch entpuppte sich als höchst erquickend. Der Vater erwiderte, er könne mich gewiss nicht als mein Freund, sondern bestenfalls in der Funktion meines Chauffeurs begleiten. Womit er natürlich vollkommen recht hat. Obwohl der gute Mann ein höchst angenehmer Zeitgenosse ist, kann ich doch nicht behaupten, eine verwandte Seele in ihm gefunden zu haben. Offen gestanden plagt mich häufiger die Frage, ob überhaupt eine Blutsverwandtschaft zwischen uns besteht, da sich die Zahl unserer Gemeinsamkeiten doch sehr in Grenzen hält.
Zugegebenermaßen gibt es einige unübersehbare Ähnlichkeiten zwischen uns. So habe ich seine Nase, seine Augen, seine Kinnlinie und seine Statur geerbt. Und auch das flachsblonde Haar, die Augenfarbe und die Form der Hände teilen wir. Nur im Hinblick auf unseren Gang könnte der Unterschied nicht
Weitere Kostenlose Bücher