Irgendwas geht immer (German Edition)
gewährte ich ihm letzten Endes seine Bitte und sprach ihn mit seinem Vornamen an. Und was für ein wunderbarer, verlässlicher und anständiger Name es doch ist. Wie gut er ihm zu Gesichte steht. Er klingt so luftig, so passend für einen Engel, besitzt jedoch zugleich die Solidität und die Ernsthaftigkeit eines erwachsenen Mannes. Und, wahrlich, mein wunderbarer Luke vereint zweifellos alle Eigenschaften in sich.
Mir fiel sofort auf, dass er sich große Mühe mit seinem Äußeren gegeben hatte, und ich fühlte mich überaus geschmeichelt. Er trug ein kirschrotes Hemd mit ausladendem Kragen und eine fliederfarbene Krawatte mit einem übergroßen Knoten dazu. Übergroß … wie verheißungsvoll … Dazu trug er schmalgeschnittene schwarze Jeans und einen breiten, nietenbesetzten Gürtel. Er wirkte wie der junge Jarvis Cocker, nur weniger schlaksig und mit einem deutlich dichteren Lockenschopf. Ach, diese wunderbaren blonden Locken. Er muss als Kind wie der reinste Engel ausgesehen haben. Mir fiel auf, dass er Cowboystiefel mit schrägen Absätzen trug, und zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich mir vorstellte, wie er lediglich mit ihnen an den Füßen vor mir stand. So viel zum Thema läuterndes Bad …
Den Großteil des Abends blieben wir für uns. Die desperate Dora hatte eine reichlich schräge Truppe eingeladen. Ich glaube, seit ihrem Zerwürfnis mit der lumpigen Lottie mangelt es ihr ein wenig an Orientierung. Jedoch legten wir zu den Klängen von »Sound of the Underground« von Girls Aloud ein hübsches Tänzchen aufs Parkett, wobei mir auffiel, dass Wilson … Verzeihung, Luke … kaum den Blick von mir wenden konnte. Ich gab einige der Schritte meiner Playstation-Tanzmatte zum Besten und machte meinem Ruf als galanter Tänzer alle Ehre.
Später, als wir Karaoke sangen, wählte ich meinen Song mit großem Bedacht und entschied mich für Eartha Kitts Version von »Mad About the Boy«, wobei ich mich an das gesamte Publikum richtete und lediglich den einen oder anderen wohldosierten Blick in Lukes Richtung warf. Ich ging höchst raffiniert zu Werke, doch war mir bewusst, dass ich ein offenes Buch für ihn war; ein wohlbekanntes und pikantes Buch. Er wusste meine gefühlvolle Darstellung sehr zu schätzen, daran bestand kein Zweifel. Und der letzte Beweis dafür präsentierte sich mir, als wir es uns nebeneinander auf dem Sofa bequem machten, unter der Decke, um uns mit den Mädchen Die Kleine Meerjungfrau anzusehen. Wir waren gezwungen, Schulter an Schulter und Schenkel an Schenkel nebeneinanderzusitzen. Oh, welche Lust!
»Ich halte sehr große Stücke auf dich, Oscar. Das ist dir doch bewusst, oder nicht?«, flüsterte er mir zu.
»Oh ja, durchaus, mein lieber Junge. Du hast mich in der Vergangenheit zu dem Glauben gelangen lassen, dass du mir nicht gleichgültig gegenüberstehst.«
»Ich bin fest entschlossen, deine Einladung anzunehmen, falls du mich fragen solltest, ob ich mit dir ausgehen möchte. Womit du lange genug gewartet hast.«
Ich lachte. »Ich muss zugeben, Luke, dass ich eingehend Zwiesprache mit mir gehalten habe und der Versuchung anheim…«
»Oh, halt den Mund und frag mich einfach.«
»Luke Wilson. Würdest du mir die Ehre erweisen …«
»Ja«, unterbrach er, noch ehe ich fortfahren konnte. »Ja, ich will. Ich werde es tun. Alles.«
Eine Weile saßen wir schweigend nebeneinander und sahen zu, wie die kleine Meerjungfrau lernte, ihre Beine zu benutzen, um sich ihren Prinzen holen zu können. Verstohlen schob er unter der Decke seine Hand in meine. »Dürfte ich mir eine kleine Verruchtheit erlauben?«, flüsterte ich, worauf er erwiderte: »Nicht hier, Oscar. Nein. Doch wisse, dass ich es dir nie verzeihen werde, solltest du es nicht noch einmal versuchen.« Was für ein einzigartiger, frecher kleiner Schatz. Und so herrlich erfrischend.
Am achtzehnten Geburtstag meiner geschätzten Schwester ist es also passiert. Endlich gehe auch ich nicht mehr allein durchs Leben. Ich zog mein Jackett aus und legte es ihm um die Schultern. »Ich möchte, dass du dies hier nimmst. Ich will nicht, dass du jemals wieder allein sein oder frieren musst.«
SIEBZIG
MO
Schuldgefühle. Sie lauern direkt unter der Oberfläche, ständig bereit, sich auf mich zu stürzen und mich zu umklammern. Doch in meinem Inneren ist kein Platz für irgendetwas anderes, schon gar nicht für noch mehr Schuldgefühle. Ich bin so voller überschäumender Lebenslust und Leichtigkeit, bis zum letzten
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