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Irgendwas geht immer (German Edition)

Irgendwas geht immer (German Edition)

Titel: Irgendwas geht immer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn French
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Winkel meines Seins, wie ein Luftballon voller Helium, bis zum Bersten gefüllt, so dass es keinen Winkel, keine Ecke in mir gibt, in der sich Schuldgefühle einnisten könnten. Sie versuchen es, aber ich lasse es nicht zu, sondern verteidige eisern mein Recht darauf, die Tatsachen zu verleugnen. Ich bin mir sehr wohl darüber im Klaren, was ich tue, indem ich beschließe, mich nicht von meinen Gewissensbissen aufhalten zu lassen. Lediglich die Grenze zwischen diesem köstlichen Abenteuer und meinem realen Leben zu ziehen, gelingt mir noch nicht ganz.
    Am Morgen von Doras achtzehntem Geburtstag fuhr ich wie gewohnt zur Arbeit – immerhin war es ein schöner Tagesbeginn, denn sie erlaubte mir widerstrebend, mich an den Glückwünschen zu beteiligen. Sie schien ehrlich begeistert von ihrem Geschenk, einem iPhone, das sie sich schon das ganze Jahr gewünscht hat. Es war die Idee meines reizenden Ehemanns, es ihr zu schenken, während ich für etwas von dauerhaftem Wert, wie etwa ein wertvolles Schmuckstück, plädiert hatte. Aber er hatte recht gehabt. Sie wünschte sich dieses iPhone mehr als alles andere, und ihre Begeisterung war unübersehbar, als sie es auspackte.
    Der Tag zog sich mit qualvoller Langsamkeit dahin, als hätte jemand die Handbremse angezogen. Meine Anspannung und die Freude auf das, was kommen würde, schienen mir all meine Konzentration und Energie zu rauben. Offen gestanden sollte ich meinen Patienten einen Teil des Honorars zurückerstatten. Ich glaube zwar nicht, dass sie gemerkt haben, dass ich nicht bei der Sache war, aber ich weiß es, und das ist nicht gut. Nicht bei der Sache zu sein, ist etwas sehr Schlimmes, noch viel schlimmer jedoch ist, dass es mir völlig gleichgültig war.
    Eigentlich kann ich Menschen wie mich auf den Tod nicht ausstehen. Ja, ich glaube allen Ernstes, ich kann mich selbst nicht ausstehen, aber es ist schwer, diese Tatsache anzuerkennen, wenn man sich in den Augen von jemand anderem als das genaue Gegenteil von verabscheuungswürdig gespiegelt sieht. Seine Augen. Oh Gott! Die Tiefe seiner Augen – das Einzige, das ich sehen möchte, und das Einzige, von dem ich gesehen werden will. Ich sehne mich danach, von ihm gehalten zu werden, von diesem unbeirrten Blick, der keinerlei Bereitschaft zeigt, sich von mir zu lösen. Ebenso sehr wie von seinen Armen. Ich kann es kaum noch erwarten.
    Am Ende des Tages scheuchte Lisa uns aus der Praxis, und ich tat so, als wolle ich noch nicht Feierabend machen. Keine Ahnung, wieso; möglicherweise, um sie von einem Verdacht abzubringen, den sie wahrscheinlich noch nicht einmal hatte. Vielleicht schätze ich ihren Jagdinstinkt ja ausgeprägter ein, als er in Wahrheit ist. Mittlerweile trägt sie einen Hut; eine Art Safarihut, an dem sich alle möglichen Werkzeuge und dergleichen befestigen lassen: Schraubenzieher, Mini-Messer, Korkenzieher, sogar ein medizinisches Instrument und, wenn ich mich nicht irre, ein Hammer. Jedenfalls scheuchte sie uns – mit Hilfe einer Hütepfeife! – aus der Praxis, und wir gehorchten. Ich ging zu meinem Wagen, stieg ein und fuhr davon.
    Als ich auf den leeren Parkplatz des Kricketfelds bog, ging mein Atem schnell und flach, und ich flüsterte wieder und wieder »Oh Gott! Oh Gott! Oh Gott!« vor mich hin, wie ein Mantra, während ich verzweifelt um meine Selbstbeherrschung rang. Ich zog mein Schminktäschchen heraus, um mein Tages- in ein Abend-Make-up zu verwandeln – mein Abendgesicht, verführerischer, strahlender und vielleicht noch küssenswerter. Noel hatte mich vor gerade einmal fünf Minuten noch in der Praxis gesehen. Würde er den Unterschied bemerken? Natürlich nicht. Er war schließlich ein Mann. Meine Hand zitterte, und der Rückspiegel war viel zu schmal, außerdem war es zu dunkel im Wagen, um etwas zu erkennen. Atme, Mo. Atme.
    Die Fahrt zum Hotel dauerte eine Dreiviertelstunde – weit genug entfernt, um sicher sein zu können, dass uns niemand erkannte. Mein reizender Ehemann und ich haben häufig über dieses Hotel geredet; darüber, dass wir eines Tages einmal herkommen würden, um einen »ganz besonderen Anlass zu feiern«.
    Lieber Gott, ich darf jetzt nicht an ihn denken. Wenn er in irgendeiner Weise in diesem Szenario vorkommt, kann ich es nicht tun. Also, Augen zusammenkneifen (und dabei möglichst nicht das Smoky-Eye-Make-up ruinieren) und jeden Gedanken an ihn beiseiteschieben. Geh weg. Das hier willst du nicht sehen. Es tut dir nur weh.
    Ein paar Minuten saß ich

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