Irgendwas geht immer (German Edition)
keinerlei Sinn ergibt. Ich folge einem Sog ganz tief in meinem Inneren. Ich habe gar keine andere Wahl. Ich habe so etwas noch nie vorher erlebt, Mo.«
»Ich auch nicht.«
»Und es ist absolut phantastisch, verdammt. Du bist … absolut fantastisch, verdammt noch mal.«
Er küsste mich wieder.
Plötzlich ertönte das SMS -Signal meines Telefons. Das wahre Leben meldete sich zu Wort. Ich wollte es ignorieren, diese neue Frau sein, die Geliebte, die Küssende, die Sorglose, das Objekt der Begierde. Und mehr nicht. Doch dieses kurze Ping versetzte mich ohne Vorwarnung geradewegs in den Mrs-Battle-Modus zurück. Und meine Landung auf dem Boden der Tatsachen wurde noch verstärkt, als ich nach gefühlten hundert Jahren endlich mein verdammtes Handy aus meiner Handtasche gekramt hatte und sah, dass die SMS von Dora stammte. Ja, ich bin Mrs Battle – die Mutter. Dora hat allem Anschein nach in ihrer Kontaktliste heruntergescrollt, bis der Name MUM auf dem Display erschien, ehe sie die knappen und höchst wirkungsvollen Worte eintippte: »Wo bist du? Heute ist mein 18. Geburtstag. Du egoistische Kuh. Ich hasse dich!«
Dies war der Augenblick, als ich vollends aus dem Noel-Orbit gerissen und in die Realität zurückkatapultiert wurde. Wir setzten uns auf und strichen unsere Kleider glatt. Er setzte sich auf den Stuhl, während ich ins Badezimmer ging und ein paar Schlucke Wasser aus meinen hohlen Händen trank, um mich zu sammeln und widerstrebend in die kerzen- und blumenlose Welt zurückzukehren, die hinter der Tür auf mich wartete.
Als ich zurückkam, zog er mich in eine Umarmung, in der ich beinahe zu versinken drohte. »Okay. Du musst gehen. Alles klar. Aber mach dir keine Sorgen. Das war erst der erste von tausend Versuchen, ja? Der zweite Versuch findet nächsten Montag statt. Selbe Zeit, selber Ort. Und so weiter und so weiter … bis ans Ende aller Zeit. Oder bis du mir gehörst. Je nachdem, was schneller eintritt.«
»Okay … Okay …« Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
Was soll man auch sagen, wenn einem die eigene Tochter unwissentlich jede Lebensfreude genommen hat?
Ich verließ das Hotel und stieg in meinen Wagen, die kleine Reisetasche ungeöffnet neben mir auf dem Beifahrersitz. Ungeöffnet. So wie ich selbst. Ich fühlte mich so leer. Im Geiste spulte ich die Szene zurück und ließ sie noch einmal Revue passieren, wieder und wieder. Und jedes Mal spürte ich die Erregung, durchlebte das Gefühl der Lust. Als ich am Parkplatz des Kricketfelds vorbeikam, fuhr ich an den Straßenrand, machte den Motor aus und gestattete den Schluchzern, sich ihren Weg nach draußen zu bahnen. Bereits beim Anblick der SMS hatte ich die ersten Vorboten davon im Magen gespürt, doch nun schwoll das Gefühl der Mutlosigkeit weiter an, ehe es sich schließlich Bahn brach. Tränen schossen mir in die Augen, und ich wurde von unkontrollierbarem Schluchzen geschüttelt.
Ich hatte am Abgrund gestanden, an der Klippe des Betrugs, und in die Tiefe geblickt, die mich mit ihren schillernden Irrlichtern der Schönheit und der Verheißung gelockt hatte. Ich war bereit gewesen, jeden Moment abzuspringen, mich im freien Fall hinabzustürzen und alles aufs Spiel zu setzen. Und nun stand ich auf dem Parkplatz des beschissenen Kricketclubs, an den Rand der Klippe zurückkatapultiert. Und vergoss heiße Tränen des Selbstmitleids. Einen wahren Wasserfall, eine schier unendliche Flut. Die wachsende Anspannung und das Adrenalin, das mein Körper produziert hatte, gefolgt von der riesigen Enttäuschung, forderten ihren Tribut. Ich war völlig erschöpft. Ich sah in den Rückspiegel, in die aufgequollenen Züge eines Kugelfischs. Ich musste warten, bis ich wieder wie ich selbst aussah, ehe ich nach Hause fuhr. Wieder und wieder kamen die Tränen und folglich auch die Röte in meinem Gesicht zurück. Bestimmt eine geschlagene Stunde saß ich im Wagen, bis ich mich so weit gefangen hatte, um nach Hause fahren zu können. Natürlich war es längst viel zu spät, um noch an Doras Party teilnehmen zu können.
Ich schlich mich ins Haus, wo sich mir ein Bild der Verwüstung bot. Überall in der Küche standen schmutziges Geschirr und Gläser herum, und es stank penetrant nach Fastfood. Reste eines pappigen Schokoladenkuchens klebten auf einer riesigen Platte. Schätzungsweise acht schnarchende Gestalten lagen auf dem Boden im Fernsehzimmer. Der Gestank war himmelschreiend – eine Mischung aus Teenagerausdünstungen, Fürzen und
Weitere Kostenlose Bücher