Irgendwo da draußen - Kriminalroman
denen Embryos schwimmen. Es sieht aus wie ein Horrorkabinett. Viele Embryos schwimmen aufrecht, andere liegen auf dem Rücken. Alle Behälter sind an Apparate angeschlossen, die die Lebenserhaltung der Hybridkinder steuern. Etliche Föten sehen schon richtig alt und kränklich aus. Allein die Vorstellung, dass einige davon meine sind …«
Mit solchen und ähnlichen Geschichten verbrachten wir den Abend, Claudia trank noch ein Glas Rotwein, ich stieg von Kakao auf Apfelsaft um. Allmählich kamen mir die Außerirdischen wie alte, etwas schräge Bekannte vor. Sollten sie mich mal in ihr Raumschiff entführen, würde ich mich auf Anhieb gut zurechtfinden. Allerdings nahm ich mir vor, dem größeren Wesen eins auf den nicht vorhandenen Rüssel zu geben, damit es nicht auf den Gedanken kam, an mir herumzuexperimentieren.
Ich versuchte, Claudia über Angernagel auszuhorchen, aber sie wich meinen Fragen aus. Was auch immer zwischen den beiden gelaufen war, sie wollte es mir nicht anvertrauen. Und irgendwann erklärte sie, dass sie müde sei und nach Hause müsse. Natürlich bot ich an, sie zu begleiten, doch sie lehnte ab. Das Misstrauen war noch nicht völlig überwunden.
Wir verabschiedeten uns, und sie versprach, mich am nächsten Abend anzurufen. Beide schwangen wir uns auf unsere Fahrräder, sie nahm den Weg zur Promenade, ich radelte in Richtung Kreuzviertel. Zum Schein selbstverständlich, denn wozu war ich schließlich Detektiv.
Ich verfolgte sie bis ins Ostviertel, wo sie in der Sophienstraße ein vierstöckiges, schlichtes Mietshaus betrat, und wendete meinen alten Trick an: Ich beobachte, in welcher Wohnung die Deckenbeleuchtung eingeschaltet wird. Aber auch gute Tricks funktionieren nicht immer. Entweder wohnte sie nach hinten hinaus, oder sie wollte die Außerirdischen im Dunkeln erwarten. So schrieb ich mir alle vierzehn Namen auf, die auf den Klingelbrettern standen.
IX
Das Wochenende war eines der übleren Sorte. Am Samstagabend meldete sich Claudia nicht.
Am Sonntag verspürte ich das dringende Bedürfnis, mit jemandem zu reden. Ich schnappte mir das Telefonbuch und suchte unter allen vierzehn Nachnamen, die ich mir in der Sophienstraße aufgeschrieben hatte, nach einer Claudia. Es war keine dabei, nicht einmal eine C. Anscheinend war Claudia doch nicht ihr richtiger Name. Womit hatte ich dieses Misstrauen eigentlich verdient?
Ich überlegte, dass ich den Nachmittag gerne mit meiner Tochter Sarah verbringen würde, zum Beispiel bei einem Zeichentrickfilm im Kino. Allerdings handelte es sich, nach der strengen Besuchsregelung, die meine Exfrau unter Beihilfe ihres neuen juristischen Freundes aufgestellte hatte, nicht um mein Wochenende. Ich rief Imke trotzdem an, aber sie erzählte mir nur, was ich schon wusste, nämlich, dass es nicht mein Wochenende sei.
Schließlich verfiel ich auf die etwas ausgefallene Idee, den telefonischen Kontakt zu Professor Klas Evert Ebertien zu suchen.
Er war darüber gar nicht erbaut, wie er, nachdem ich mich vorgestellt hatte, umgehend zum Ausdruck brachte. »Sie schon wieder. Ich habe mich zum Thema Corinna Lahrmann umfassend und abschließend geäußert. Ich dachte, das hätte ich deutlich gemacht.«
»Meine Bitte ist bescheiden, Herr Professor«, sagte ich freundlich. »Ich brauche die Namen aller Teilnehmerinnen Ihres Doktorandenkolloquiums.«
»Das ist ja unerhört«, schnaubte Ebertien. »Zum einen darf ich Ihnen die Namen gar nicht geben, aus Datenschutzgründen. Zum anderen liegt die Liste in meinem Büro. Sie erwarten doch nicht ernsthaft, dass ich wegen Ihnen den Sonntagnachmittag opfere?«
»Sie haben mich belogen, Herr Professor«, blieb ich hartnäckig.
Er legte nicht auf.
»Sie haben mir ein Märchen aufgetischt, als Sie mir erzählten, dass Sie sich kaum an Corinna Lahrmann erinnern könnten. Zufällig habe ich erfahren, dass Sie mit ihr eine heftige Auseinandersetzung hatten. Sie haben von ihr verlangt, dass sie einen Teil ihrer Doktorarbeit umschreiben müsse, andernfalls sei ihre Promotion gefährdet. Und ein paar Tage später hat Corinna Lahrmann Selbstmord begangen.«
»Das war eine rein fachliche Diskussion«, keuchte Ebertien.
»Mag sein, Herr Professor. Nur, sehen Sie, ich kenne da einige freie Journalisten. Vielleicht springt einer auf die Geschichte an, die ich ihm anbieten könnte: Mobbing an der Uni – Professor treibt Studentin in den Selbstmord. «
Ebertien dachte nach. »Wenn ich Ihnen die Namen gebe – lassen Sie
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