Irgendwo dazwischen (komplett)
„Du hast mit ihr geschlafen... und es war schließlich unser letztes
Mal...“
„Verstehe.“ Du verstehst gar nichts... „Ist das das
Problem?“
„Was?“
„Dass es das letzte Mal war?“ Und nun senke ich den Blick.
„Marie?“
„Ja, vielleicht ist es das...“
„Hättest du denn gerne, dass es wieder passiert?“
„Und du?“
Lili
Und auch, wenn ich einen riesigen Kloß im Hals habe, kann ich
nicht weinen. Ich bin vollkommen taub, und es ist, als wäre das nicht wirklich
ich, nicht mein Körper. Was soll denn das? Das ist so übertrieben. Wir waren
noch nicht zusammen, und er hat sich schließlich entschuldigt. Vielleicht habe
ich ihn einfach zu lange mit ihr gesehen. Vielleicht habe ich ihn einfach zu
lange geliebt.
Die Sonne brennt vom Himmel. Ich sitze mit angezogenen Beinen auf
der Terrasse und betrachte einen großen Stein, der im Schatten des kleinen
Busches mitten im Blumenbeet liegt, und warte. Aber ich weiß nicht, worauf.
Vielleicht darauf, mich besser zu fühlen.
„Lili?“
Ich schaue hoch. „Hallo Mama.“
„Was ist denn los?“
„Wie lange denkst du, hat Papa gebraucht, um die Bilder zu
vergessen?“
„Welche Bilder?“, fragt sie irritiert und setzt sich zu mir.
„Die von dir und Alex.“
Einen Augenblick schweigen wir beide, dann fragt sie, „Wie kommst
du darauf?“
„Nur so“, lüge ich.
„Ich habe keine Ahnung, aber sicher eine ganze Weile.“ In ihrer
Stimme schimmert Schuldbewusstsein.
„Hast du ihn geliebt?“
Sie schüttelt den Kopf. „Nein, ich habe nur geliebt, zu was für
einer Frau ich mit ihm wurde.“
„Und was für eine Frau war das?“
„Ich war verrückt nach ihm, und ich habe geliebt, wie er mich
gesehen hat.“ Sie seufzt. „Ich bin in seinen Armen zu einer anderen Frau
geworden. Zu einer leidenschaftlichen, zügellosen Frau, die sich nimmt, was sie
will und was sie braucht. Aber außerhalb des Schlafzimmers oder des Badezimmers
oder des Hauseingangs oder der Parkgarage, war ich nicht an ihm interessiert.“
„Des Hauseingangs? Der Parkgarage?“, frage ich perplex.
„Ja, Lili, ich habe die besten Erfahrungen meines Lebens mit Alex
gehabt. Zumindest, was die sexuellen Erfahrungen angeht. Aber ich habe nicht ihn geliebt, sondern das, was er mit mir gemacht hat. Ich habe mich mit ihm
geliebt.“ Sie schaut mich lange an. „Ich wäre nie dauerhaft mit ihm glücklich
geworden. Da war keine Basis. Mit Lukas hatte ich eine Basis. Und er war mein
Zuhause. Er war mein Mann. Alex war wichtig. Und das in vielerlei Hinsicht.
Aber geliebt habe ich ihn nicht.“
„Aber im Bett war es mit Alex besser...“
„Ja, das war es...“
„Weiß Papa das?“
„Nein, tut er nicht. Und er wird es auch niemals wissen“, sagt sie
schließlich.
„Aber das ist doch furchtbar...“
„Was genau findest du so furchtbar? Dass ich ihn belüge oder dass
ich bei ihm geblieben bin? Oder dass ich nie wieder so tollen Sex gehabt habe
und nie wieder haben werde? Was genau findest du daran furchtbar?“
„Na, das alles.“ Ich starre sie an. „Wenn du wüsstest, dass es
niemals rauskommt, würdest du dann noch einmal mit Alex schlafen?“
„Ja, Lili, das würde ich. Und ich würde es genauso genießen wie
damals. Aber ich weiß, dass es rauskommen würde. Man kann sich nicht für immer
hinter seinen Fehlern verstecken. Und ich liebe deinen Vater. Aber er hat nie
verstanden, was mich körperlich glücklich macht. Unter seinen Händen bin ich
nie zu der Frau geworden, zu der ich mit Alex wurde. Aber, glaub mir, es gibt
viel Wichtigeres als körperliche Nähe.“
„Aha...“, sage ich schockiert.
„Deinen Vater und mich verbinden über 24 Jahre. Sex ist etwas, das
weniger wird. Das Verlangen, die Leidenschaft, all das kommt und geht. Aber ich
kann mit Lukas reden. Ich vertraue ihm. Er ist nicht nur ein Körper. Er ist der
Mensch, bei dem ich mich immer am wohlsten gefühlt habe. Und er ist der Mann,
den ich immer geliebt habe. Und mit ihm zu schlafen, ist wunderschön. Es ist
nur nicht so leidenschaftlich. Ich brenne nicht unter ihm. Und das muss ich
auch nicht. Ich habe es nie bereut, mich für deinen Vater entschieden zu haben
und damit für immer auf Alex zu verzichten...“
„Aber du würdest trotzdem mit ihm schlafen, wenn es nie rauskäme?“
„Ja, sofort.“ Entgeistert schaue ich sie an. „Lili, ich war 17,
als ich mit deinem Vater zusammen gekommen bin. Er war der zweite, mit dem ich
geschlafen habe. Und wir haben geheiratet, als ich
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