Irgendwo dazwischen (komplett)
erregt. Sollte es
mich nicht abstoßen? Oder erregt es mich, weil ich gerade mit ihm schlafe? Er
hält Giselles wunderschönes Gesicht in seinen Händen. Ihr glänzendes Haar liegt
wie schwarze Seide auf den weißen Bettbezügen. Seine Lippen gleiten über ihren Hals.
Ihr Stöhnen füllt meinen Kopf.
Tränen laufen über mein Gesicht, über meine Schläfen in meine
Haare. Sie saugen sie auf. Eine nach der anderen. Sollte ich etwas sagen?
Sollte ich das Thema wieder aufrollen? Obwohl ich ihn geküsst habe? Bin ich
nachtragend? Oder habe ich ein Recht, mich so zu fühlen?
„Kleines?“ Ich öffne die Augen. „Weinst du?“ Ich schüttle den
Kopf. Elias streift mit dem Daumen über meine Schläfen. „Doch, natürlich weinst
du. Was ist?“ Er küsst mich auf die Stirn.
„Nichts“, lüge ich, ziehe ich ihn an mich und küsse ihn. Einen
Augenblick zögert er, dann bewegt er sich weiter. Doch so schön es sich auch
anfühlt, das Bild in meinem Kopf bleibt. Es hält sich eisern.
Marie
Ich sitze da und starre Löcher in die Luft. Und es mag so wirken,
als herrschte gähnende Leere in meinem Kopf, aber das stimmt nicht. Im
Gegenteil. Ich wünschte, es wär so. Das wäre echt entspannend.
Er hat mich so lange mit diesem Blick beschenkt. Und ich habe ihn
nicht zu schätzen gewusst. Und jetzt? Ich sollte Pascal anrufen. Blödsinn… Als
ob Pascal helfen könnte.
Pascal und ich, das ist so was wie eine Vernunftsehe. Wir haben
uns vor ein paar Monaten in einem Club kennengelernt. Ich mochte die Art, wie
sie tanzt. Sie kennt ihren Körper und sie weiß, wie sie ihn einsetzen muss.
Abgehacktes Licht. Ihre Bewegungen waren wie Zeitlupe. Ihre Hüften wiegten zur
Musik, ihre Augen waren geschlossen. Ihre Lippen haben die Worte der Texte
mitgesungen. Ich habe ihr zugesehen. Einfach nur zugesehen. Und das hätte mir
gereicht. Kurz bevor ich gehen will, spricht sie mich an. Damit hätte ich nicht
gerechnet. Und es wäre mir auch egal gewesen. Denn auch wenn es mir gefallen
hat, wie sie ihre Hüften zur Musik bewegt, mehr hat mich an ihr eigentlich
nicht interessiert.
Sie begleitet mich zu mir. Und wir haben Spaß. Aber mehr ist es
nicht. Es ist unverbindlich und es ist einfach. Vielleicht ist es das, was mir
daran gefällt. Was ist sonst schon einfach?
Wir sehen uns ab und zu. Und jedes Mal ist es schön. Sie weiß auch
im Bett, wie sie ihren Körper einsetzen muss. Aber ich wüsste nicht, worüber
ich mich mit ihr unterhalten sollte. Sie ist nicht dumm, im Gegenteil, sie ist
nur nicht mein Typ. Ihre Denkweise könnte meiner nicht mehr widersprechen. Es
fängt schon mal damit an, dass sie nicht zu sich steht. Ich meine, sie muss
sich in der Öffentlichkeit nicht lesbisch zeigen. Aber ich kann nicht
verstehen, wie man mit einem Kerl zusammen sein kann, von dem man zugibt, ihn
nicht zu lieben. Wie kann man mit jemandem zusammen sein, bloß damit andere
denken, man sei es nicht. Lesbisch, meine ich. Da stimmt doch was nicht.
Und wie kann sie ihm das antun? Sie betrügt ihn nach Strich und
Faden. Und nicht nur mit mir. Es gibt andere. Ich weiß das. Er nicht.
Allein die Art, wie sie mit fremden Männern tanzt... nach meinem
Geschmack ist das schon Teil des Vorspiels. Aber sie geht nie mit ihnen nach
Hause. Sie macht sie an, sie gibt grünes Licht, sie gibt stillschweigend
Versprechungen, um sie dann zu brechen.
Denn nach Hause geht sie mit mir. Oder eben einer anderen Frau.
Und was denkt der Freund? Sie tut ihm Leid, weil sie so viele Nachtschichten
schieben muss. Sie schläft mit ihm. Sie spielt ihm vor, ihn zu lieben. Und so
behandelt man Menschen einfach nicht. Und schon gar nicht diejenigen, die einen
lieben. Es gibt Grenzen. Unsichtbare Grenzen. Und nur, weil sie nicht sichtbar
sind, heißt das nicht, dass man sie einfach überschreiten darf. Deswegen gibt
es sowas wie Moral.
Na, das ist jedenfalls der Grund, warum zwischen uns nie mehr war.
Ich habe keine Lust mehr auf sie. Und es ist mir plötzlich egal, dass sie
unkompliziert ist. Sie ist eine schlechte Person. Eigentlich mag ich sie nicht
besonders. Also ihr Wesen. Und sie ist eine Frau. Und im Moment ist das nicht
das, was ich will. Auch wenn es mich schockiert, das zuzugeben. Ich will Paul.
Leider.
Außerdem weiß ich, dass ich nur mit dem Gedanken spiele, sie
anzurufen, weil ich gerne hätte, dass mein Leben wieder ein bisschen weniger
kompliziert wäre. Und vielleicht würde ich dann weniger an Paul denken. Und das
ist der größte Quatsch.
Es ist doch
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