Irgendwo dazwischen (komplett)
erste Wahl
wäre. Sie wusste, dass ich jede in den Wind geschossen hätte, wenn sie mich nur
geliebt hätte. Und nun ist da ein Kerl. Und sie spürt, dass es mir ernst ist.
Sie weiß, sie spielt nicht mehr die Hauptrolle in meinem Leben. Und das tut
weh. Und deswegen ist sie kratzbürstig. Und ich hatte damit gerechnet, dass sie
komisch reagiert, aber nicht so.
Lili
Ich weiß
gar nicht, was mein Problem ist. Ich meine, Marie ist schließlich eine meiner
besten Freundinnen, und ich sollte mich doch freuen, dass sie jemanden gefunden
hat, der ihr so wichtig ist und der ihr geben kann, was sie braucht. Und
trotzdem freue ich mich nicht so richtig. Es ist nicht so, dass ich mich
überhaupt nicht freue, wirklich nicht. Aber ich kann nicht aus tiefstem Herzen
sagen, Marie, ich freue mich für dich . Das wäre gelogen. Und was ich da
über Liebe gefaselt habe, kann ich auch nicht fassen. Sie ist glücklich, und
ich komme daher und werfe Paul vor, den ich wohlgemerkt nicht einmal kenne,
dass er nicht gesagt hat, dass er sie auch liebt. Das geht mich doch nun
wirklich nichts an. Ich sitze da und starre auf den Alten Peter. Der Himmel
dahinter ist blau, und nur vereinzelte Wölkchen machen weiße Tupfen auf die
blaue Decke. Sie sehen aus wie Schafe, die über eine blaue Wiese gehen.
Gemütlich.
Marie ist
auf dem Klo. Und ich kann mich nicht leiden. Warum bin ich so? Ich liebe Marie
nicht. Ich liebe Elias. Und da bin ich mir sicher. Aber trotzdem ist es, als
hätte Marie mich betrogen. Und das auch noch mit einem Mann.
Eines der
Schafe ist gerade hinter dem Turm verschwunden, und ich sehe zu einem anderen,
einem viel kleineren Schäfchen. Früher habe ich gerne auf der Wiese bei unserem
Haus gelegen und in den Himmel geschaut. Ich habe es geliebt, in den Wolken
Tiere zu erkennen. Ich lag dort oft und lange. Seltsam, dass einem das als Kind
nicht zu langweilig wird. Ich meine, nur auf dem Boden liegen und Wolken anstarren,
und das für mehrere Stunden.
Ich habe
sie verloren. Ich war ihre große Liebe. Und jetzt ist da Paul. Und das verletzt
mich. Es ist komisch, aber es ist, als wäre Marie jetzt nicht mehr Marie. Sie
war die, die über Männer hergezogen hat. Und das schon immer. Und jetzt schläft
sie mit einem, und es gefällt ihr. Also nicht, dass das schlimm wäre, es gibt
ja viele Frauen, die mit Männern schlafen und denen das gefällt. Aber Marie?
Sie hat es genossen, wenn Frauen sie berührt haben. Sie hat von ihren sanften
Körpern und ihren zierlichen Händen geschwärmt. Und sie hat immer gesagt, dass
Männer von ihren Geschlechtsteilen besessen wären und wir Hetero-Frauen sie
auch noch darin bestärken. Und jetzt ist auch sie besessen. Sie ist plötzlich
eine Hetero-Frau. Und das will nicht so ganz in meinen Kopf.
Vielleicht
ist es auch, dass all die anderen Frauen nie wirklich eine Konkurrenz für mich
waren. Ich bin mir sicher, dass Marie jede von ihnen verlassen hätte, wenn ich
mich in sie verliebt hätte. Und jetzt ist da Paul. Und plötzlich wird mir klar,
dass ich nicht mehr die für sie bin, die ich vorher war. Die Frau in ihrem
Leben. Na ja, vielleicht bin ich es noch, doch jetzt ist da auch noch ein Mann
in ihrem Leben. Und es ist nicht irgendeiner, es ist Paul. Ihr bester Freund
seit dem Kindergarten. Er ist ihr Elias. Und lange dachte ich, ich wäre ihr
Elias. Aber das war ich nicht. Klar, ich war wichtig, und ja, sie hat mich
geliebt, aber eben nicht so. Und vielleicht dachte sie es selbst, doch jetzt
ist sicher auch ihr klar geworden, dass ich kein Elias bin, sondern Lili.
Einfach nur Lili. Und für Marie war ich nie einfach nur Lili. Ich habe sie noch
nie so gesehen. So glücklich, so entspannt, so gelöst und schön. Wir haben uns
auch noch nie gestritten. Vielleicht weil ich damals noch der Elias in ihrem
Leben war. Doch heute hat sie mir gesagt, was sie denkt und dass ich Unrecht
habe. Und sie hat recht.
Paul. Wer
ist eigentlich Paul? Ich kenne ihn nicht einmal. Warum hat sie ihn mir in all
den Jahren nicht einmal vorgestellt? Zugegeben, ich habe sie nie darum gebeten,
aber sie hat ihn fast versteckt. Ach so ein Quatsch. Ich denke manchmal so
einen Mist. Als ob Marie ihn versteckt hätte.
„Lili...“
Ich drehe mich weg von meinem Schäfchen und zu unserem Tisch. Marie sitzt mir
gegenüber. Sie lächelt.
„Seit wann
bist du wieder zurück?“, frage ich irritiert.
„Eine
Weile“ Wir schweigen. „Die Wolken sehen aus wie Schafe...“ Sie kennt mich gut.
„Du hast sie beobachtet,
Weitere Kostenlose Bücher