Irgendwo dazwischen (komplett)
einfach
unbeschreiblich. Du bist unbeschreiblich... Meine Augen gleiten behutsam über jedes
Wort, so als könnten sich die Buchstaben auflösen, wenn man sie zu oft liest.
Und mit jedem Blick nehmen sie all die Wärme auf, all die Zuneigung, die in
diesen vier Sätzen verborgen ist.
Als ich
hoch schaue, sehe ich Lili aus dem Aufzug steigen. Ohne nachzudenken, springe
ich auf und rufe ihren Namen. Sie sieht zu mir, und an ihrem Blick erkenne ich,
dass es ihr peinlich ist, dass alle sie ansehen. Es sollte einem egal sein, was
andere denken. Es sollte einen nicht kümmern. Sie sind fremd, und man wird sie
nie wieder sehen... Sie schlendert auf mich zu und lächelt.
„Hallo
Liebes...“, sage ich strahlend.
„Wie es
aussieht, hast du mit ihm geredet...“ In ihren Augen blitzt etwas Neckisches
auf, als sie das sagt.
„Ist das so
offensichtlich?“ Lili nickt. „Warum?“
„Nun, du
bist grundsätzlich eher der sarkastische Typ, und in letzter Zeit warst du
überwiegend mürrisch... und jetzt bist du...“
„Glücklich?“
„Ja.
Glücklich trifft es gut.“
„Es ist
mehr als das. Ich bin, ich weiß auch nicht... fast schon beängstigend
glücklich.“
„Wieso
beängstigend?“
„Ich weiß
nicht.“ Ich muss lachen. „Warum schaust du mich so an?“
„Du siehst
aus wie eine dieser Frauen aus den fünfziger Jahren.“
„Ja, aber
die waren doch gar nicht so glücklich...“
„Dein
Lächeln zeigt sogar deine Backenzähne...“ Und es stimmt. Ich kann nicht
aufhören zu lächeln. Alles ist so schön. „Erzähl schon.“
Und ich
erzähle ihr alles. Ich erzähle ihr von dem Brief und von unserer Unterhaltung,
und ich erzähle ihr von Helene und dass sie ihn abgeholt hat. Und davon, dass
er zu mir gekommen ist und wir gestritten haben. Und dann erzähle ich ihr, wie
ich auf dem Bett saß und mir sicher war, dass er gehen würde. „Aber er ist
geblieben...“
„Ja, ganz
offensichtlich...“, sagt sie lächelnd. „Und dann?“
„Er ist zu
mir gekommen, und dann hat er gefragt, ob ich ihn liebe, und ich habe ja
gesagt... Und er hat gesagt, ich soll es aussprechen. Und dann habe ich es
getan, ich habe ihm gesagt, dass ich ihn liebe...“ Ich atme tief durch. „Und
dann hat er mich geküsst...“ Ich strahle.
„Ja, und
er?“
„Was, und
er?“, frage ich irritiert.
„Hat er dir
denn nicht gesagt, dass er dich liebt?“
„Das war
nicht nötig... ein Kuss sagt viel mehr aus als dieser plumpe Satz...“
„Na ja, ich
meine, er wollte es von dir hören, hat es aber selbst nicht gesagt...“
„Was willst
du damit sagen?“ In mir steigt Wut hoch.
„Ich finde
einfach nur, er hätte es auch sagen können.“
„So wie im
Film?“, frage ich sarkastisch.
„Nein...“
Sie schaut zu Boden.
„Sondern,
Lili?“
„Ich meine
es genau so, wie ich es sage.“
„Weißt du,
das passt zu dir...“
„Was?“
„Na, dass
du jeden Augenblick kontrollieren willst... der Moment wäre nur dann vollkommen
gewesen, wenn er es gesagt hätte, oder?“
„Was heißt
vollkommen? Ich hätte es eben hören wollen.“
„Nimm mir
das jetzt nicht übel, aber ich denke, du bist eine von diesen Frauen...“
„Eine von
diesen Frauen?“
„Du
brauchst solche Sätze... ich denke, es gibt die Sorte Frau, die solche
Liebesschwüre braucht, und es gibt die, der das Handeln wichtiger ist...“
„Du willst
mir doch nicht erzählen, dass du dir nicht gewünscht hast, dass er es sagt?“
„Ich sage
doch, es war nicht nötig... Was sagt dieser Satz schon?“
„Er drückt
tiefe Empfindungen aus...“
„Ja, aber
doch nur, weil wir Menschen versucht haben, einen Satz zu finden, durch den wir
unbeschreibliche Gefühle ausdrücken können... Außerdem ist es nicht besonders
schwierig, diesen Satz zu jemandem zu sagen, für den man rein gar nichts
empfindet. Dieser Satz muss nichts bedeuten.“
„Sollte er
aber...“
„Bist du
ehrlich so naiv?“
„Was soll
das denn? Kann ich nicht eine andere Meinung haben?“
„Sicher
kannst du das... Deshalb kannst du doch trotzdem naiv sein, oder nicht? Das ist
doch kein Widerspruch.“
„Was ist
daran naiv?“
„Du bist so
darauf angewiesen, dass man dir sagt, dass man dich liebt, dass ich denke, dass
es mit deinem angekratzten Selbstwertgefühl zu tun haben muss... Ich kenne
niemanden, der so dringend Liebesbekundungen braucht.“ Und ich weiß, dass ich
ihr damit wehtue, vor allem, weil sie mich so nicht kennt. Sie kennt mich nur
als die Marie, die sie liebt.
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